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Bloch, Joseph S.
Der Arbeiterstand bei den Palästinensern, Griechen und Römern: Vortrag am 12. August 1882 vor den Arbeitern der Lokomotiv-Fabriken in Floridsdorf und am 28. August 1882 vor den Eisen-, Metall- und deren Hilfsarbeitern Wiens und Niederösterreichs im Saale des Gasthofes "Zum grünen Jäger", 5. Bezirk in Wien, gehalten — Wien: Verlag und Buchhandlung D. Löwy, 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.56605#0009
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Alterthnm nicht gekannt — mit Ausnahme eines einzigen und
winzigen Landes, eines einzigen, kleinen und unbeachteten Volkes:
des palästinensische n.
II.
Die Sprache ist ein klarer und Heller Spiegel des Volk-
lebens und der Volksseele. Alle Eigenarten und Charaktermerk-
male eines Stammes, seine Vorzüge, seine Schwächen, seine
Tugenden und seine Laster, seine Neigungen und Verirrungen,
seine politischen und religiösen Institutionen, nebst den Gebrechen
und Krankheiten seines gesellschaftlichen Organismus werden
Sie immer schauen im Spiegel seiner Sprache. Sie ist die
schlimme Verrätherin aller schönen und unschönen nationalen
Herzensgeheimnisse. Ein Laster aber, für welches der abge-
schlossene Wortvorrath eines Volkes um eine Bezeichnung in
Verlegenheit ist, war diesem unbekannt. Der Wortschatz einer
Nation enthält die Summa ihrer Begriffe, aller geistigen und
zeitlichen Erscheinungen ihres Lebens.
Wohlan, meine Herren, nehmen Sie ein hebräisches Wör-
terbuch, das reichhaltigste, zur Hand, schlagen Sie nach und suchen
Sie, ob Sie das eigenartige Wort „Sclav e" darin finden?
Ziehen Sie den umsangweiten Komplex der hebräischen Lite-
ratur zu Rathe, um sestzustellen und Sicherheit Zu gewinnen, wie
das Wort „Sclave" exact hebräisch zu übersetzen wäre?
Meine Herren, Sie werden vergebens aus eine Antwort hoffen.
Sie werden immer blos einen „Ldeä", den Arbeiter, von Hoäa,
Arbeit treffen. Die Sprache der Palästinenser hat wohl an
dreißig verschiedene Bezeichnungen und Benennungen für Ge-
rechtigkeit und Mens chenliebe, allein kein einziges Wort
für „Sclave." Die kunstsinnigen, philosophisch geschulten Grie-
chen, die rechtsklugen, ja rechtslistigen Römer brauchten keine
Arbeiter, sie hatten Sclaven; die palästinensischen Hebräer,
welche man Semiten nennt, wußten nichts von Sclaven
und hatten blos freie Arbeiter. Nur so ist es möglich, daß
ich heute vor Ihnen stehe, um Sie von einen: Arbeiterstand im
Alterthum zu unterhalten.
 
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