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Alle typenbildenden Charakteristika sind bei i hm voll ausgebildet. Der Gekreuzigte
ist in erbarmungswurdiger humilitas ohne Hoheitszeichen (Nimbus) und ohne das
Suppedaneum dargestellt.

Nach alter Uberlieferung senkt sich das Haupt des Gekreuzigten allmahlich immer
tiefer auf die Brust, bis mit der Beruhrung der Jungste Tag anbricht.

Kruzifix in Warschau, Nationalmuseum, um 1370-80.

Corpus: Hóhe 1,55 m, Spanne 1,25 m (Abb. 11).

Eine auBerordentliche Spannung kennzeichnet dieses Corpus. Kopf und Oberkórper
sind nach rechts geneigt.

Durch diese Anordnung unterscheidetsich dieses Werkvon dergesamten zahlreichen
Gruppe der Kólner Kruzifixe. Tiefe Rippenkonturen ziehen sich in rundem Bogen wie
Bander uber dem Brustkorb. Geiftelmale auf dem ganzen Corpus.

In dieser Beschreibung hat die Autorin die originellsten Zuge der Gestaltung des
Warschauer Kruzifixus genannt. In ihrer Arbeit finden wir die Zugehórigkeit des
Warschauer Kruzifixus zur umfassenden Gruppe der Kólner Kruzifixe dokumentiert
(Abb. 12).

Ein Zug, durch den sich das Warschauer Kruzifix von allen erhalten gebliebenen
Kruzifixen unterscheidet, ist die groBe Menge des geronnenen Bluts Christi, was auch
bei der Pieta in Leubus (Lubiąż)20 21 (Abb. 13) wiederkehrt. Eine Erklarung fur das viele
geronnene Blut haben Schriftsteller und Theologen von damals geliefert. Michael
Menot schrieb in Sermones Quadragesimales. Feria quarte Post Ramos Palmarum
(Kardonnerstag):

Quid pretiosius sanguine Christi?

Christus totum dedit.

Duns Scotus dicit quod hec solutio fuit sine mensura
Sufficiebat gutta sanguinis, sed totum voluit dare...

Ein bekanntes Werk, das oft Thomas von Aquin zugeschrieben wird und mit der
lnvokation Adoro te devote... anfangt, enthalt folgende Strophe:

Pie Pelicane lesu domine
me immundum munda tua sanguine
cuius u na scilla salvum facere
totum mundum om ni scelere...

Venatius Fortunatus schrieb in seinem Hymnus uber das Kreuz ais Lebensbaum:
Crux fidelis, inter omnes arbor una nobilis
Nulla talem silva profert florę, frondi, germine —

Dulce lignum, dulce clavo, dulce prondus sustinens
Flecte ramos, arbor alta, tensa laxa viscera,

Et rigor lentescat Ule, quem dedit nativitas,

Ut superni membra regis mite tendas scipite.

Sola digna tu fuisti ferra pretium saeculi
Atque portum praeparare nauta mundo naufrago,

Quem sacer cruor perunxit fusus agni corpore?\

Ubersetzt von Barbara Ostrowska

20. T. Dobrzeniecki, Rzeźba sakralna w Polsce, Warszawa, 1 980, Abb. 112-113.

21. J. Szóverffy, Die Annalen der Lateinischen Hymnendichtung, Ein Handbuch. I. Die Lateinischen Hymnen
bis zum Ende des 7 7. Jahrhunderts, Berlin, 1964.

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