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Bulletin du Musée National de Varsovie — 42.2001

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Scholz, Piotr O.: Wer war Merkurios, der "Bezwinger des Bösen" in der Wandmalerei aus Faras/pachoras?: Ikonizität des Drachentöters im Niltal$nElektronische Ressource
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https://doi.org/10.11588/diglit.18950#0198

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weiteren Jahrhunderte bestimmt und die Legendenbildung bis hin zur
Legenda aurea gefestigt haben.142 In den legendaren Erzahlungen nimmt der
HI. Merkurios - der iiber die Ubersetzungen ins Lateinische auch im
Abendland bekannt geworden ist - eine besondere Stellung ein. Christus (in
spateren Versionen die Muttergottes) verkiindet Basilius d.Gr., dem
Zeitgenossen Julians, in einer Traumvision, daF er den Geist des hl.
Merkurios beauftragt habe, die „Schlange”, den abtriinnigen Kaiser, zu toten!
(Vita des heiligen Basilius von Pseudo-Amphilochos; vgl. Abb. 12).143

Der Hl. Merkurios, von dem noch die Rede sein wird, ist in diesem Kontext
nur noch von sekundarer Bedeutung; viel wichtiger erscheinen zwei andere
Aspekte, die sich mit Julianus verbinden. Der erste bezieht sich auf seine
positive Einstellung zum Mithraismus und zum Helios-Kult, der zweite
beriihrt den Kern der Trauerrede des Philosophen und Freundes des Kaisers,
Libanios (Ort. XVIIf., XXIV), in der er - wie es Joseph Bidez zusammen-
fassend formulierte - „den Toten ais Auserwahlten der Gotter und Wohltater
der Menschheit beweint und kurz darauf den christlichen Soldaten
brandmarkt, der seiner Meinung nach in yerraterischer Weise den Kaiser mit
der Lanze durchbohrt hatte.”144

Beide Aspekte spiegeln sich in der Legende wider, der christianisierte
Sonnenreiter durchbohrt den Drachen, die Schlange, den Feind des Christus,
d.h. den Julian Apostata.

Die von Górecki publizierte Rekonstruktion145 erlaubt, sich von der unter
den vorderen Hufen des Pferdes liegenden Gestalt eine Vorstellung zu machen,
also von dem, was in dem erhaltenem Fragment kaum noch zu erkennen ist
(Abb. 13). Eine Inschrift ist nicht zu sehen; ob es sich also tatsachlich um den
abtriinnigen Kaiser handelt, muF daher offen bleiben, obwohl, wie gezeigt
worden ist, fur ihn auch jede andere Personifikation des bósen Gottesfeindes146 147
stehen kann. In erster Finie ist deshalb die programmatische Aussage
entscheidend, daF der heilige Reiter immer iiber alle erdenklichen Formen des
Bósen den Sieg davon tragen wird. Sollte tatsachlich Julian Apostata ais
Verkórperung des Bósen in Faras dargestellt worden sein, so liegt die
Gleichsetzung des Reiters mit dem Hl. Merkurios sehr nahe.

1.2. Merkurios (wahrscheinlich aus dem syr. Mar Qorios) gehórt der
christlich-orientalischen Tradition an.14' DaF er auch im Abendland bekannt

142 R. Forster, Kaiser Julian in der Dichtung alter und neuer Zeit, (Studien zur vergleichenden
Literaturgeschichte V2), Berlin 1905; Braun u. Richer (Hrsg.), op. cit., bes. S. 231-425.

142 Bidez, op. cit., S. 358.

144 Bidez, op. cit., S. 355.

145 Górecki, „Problemes diconographie...”, op. cit., S. 197, Abb. 10 (eine weitere Rekonstruktion
findet sich auch bei E. Lucchesi-Palli, „Some parallels to the figurę of St. Mercurius at Faras”, in:
Proceedings ofthe Symposium forNubian Studies /Cambridge 1978/, ed. J.M. Plumley, Warminster
1982, S. 162-169, Abb. 1).

144 W Speyer, „Gottesfeind”, in: RAC 11, 1981, Sp. 996-1043, bes. 1028f.

147 H.R. Seeliger in: LThK 7, 1998, Sp. 145f.; D.L. 0'Leary, The saints of Egypt in the Coptic
calendar, London-New York 1937, S. 201f.; K.G. Kaster in: LChlYIII, 1976, S. 10-13.

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