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Bock, Franz
Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters: oder Entstehung und Entwicklung der kirchlichen Ornate und Paramente in Rücksicht auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und rituelle Bedeutung (Band 1) — Bonn, 1859

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https://doi.org/10.11588/diglit.26750#0464
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schriebenen Ornat zum Abschluss brachte, indem er mit der prie-
sterlichen Kopfbinde sich bedeckte, so umlegte auch der Hohe-
priester, nachdem er sich mit den sieben im Vorhergehenden
beschriebenen „vestes aureae“ bekleidet hatte, das Haupt mit der
hohenpriesterlichen Binde, die in Form und Weise eines Turbans
kunstreich geschlungen wurde. Diese hohepriesterliche „tiara“
bestand ebenso wie die Kopfbedeckung der niedern Opferpriester
aus einem schmalen, glänzend weissen Byssusstreifen, der ebenfalls,
wie die Stoffstreifen an dem „pileus“ des niedern Priesters, eine
grösste Länge von 16 Ellen hatte. Da also das Material und
die Ausdehnung der Kopfbinden sowohl bei der niedern Prie-
sterklasse als auch bei dem Hohenpriester die gleiche war, so
wäre hier Nachforschung anzustellen, in wiefern durch seine
Form und durch die Art und Weise der Anlegung der „mig-
baoth“ der „turba sacerdotum“ sich von dem „mitznephet“ des
Hohenpriesters unterschieden habe. Flavius Josephus, der als
einer der letzten jüdischen Priester die Herrlichkeiten des Tem-
pels zu Jerusalem und den grossartigen Reichthum der vorge-
schriebenen hohenpriesterlichen Gewänder noch gesehen haben
musste, entwirft uns eine ausführliche Beschreibung der hohen-
priesterlichen Kopfbedeckung, die Lundius und andern Autoren
ausschliesslich maassgebend gewesen sind bei der Abbildung und
Beschreibung der vorchristlichen hohenpriesterlichen Gewänder. Im
Widerspruch mit der Annahme vieler gelehrten hebräischen Schrift-
steller führt nämlich der ebengedachte Verfasser der jüdischen
Alterthümer an, der Hohepriester habe sich einer „tiara“ bedient
von der Form, wie auch die übrigen Priester dieselbe zu tragen
pflegten, jedoch habe über derselben eine zweite Kopfbedeckung
hervorgeragt, die zusammengenäht und mit hyazinthfarbiger Wolle
gestickt gewesen sei. Es scheint, dass diese betreffende Stelle,
wie das Mehrere annehmen, corrumpirt und vielleicht von
einer spätem Hand hinzugefügt worden ist; es würde sonst der
Hohepriester gegen die Vorschrift des Gesetzes nicht nur ein
genähetes Gewand, sondern auch zu der Kopfbinde, als achtes
gesetzliches Gewandstück, noch ein neuntes Gewand bei seinen
Amtsverrichtungen getragen haben, wovon im Exodus und Le-
viticus sich nirgendwo die leiseste Andeutung und Vorschrift vor-
findet. Wir haben daher auch Anstand genommen, in unserer
Abbildung auf Tafel VII, Fig. 3 die hohepriesterliche „tiara“ als

*) Antiq. lib. III, cap. VIII.
 
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