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in Berlin. Das Dresdener Rundblatt (Abb. Terev Nr. 82) ist _

x - ' Dresden,

eine Scheibenvisierung und ein Todes bild, gehört also in Hand-

° . Zeichnung

eine Reihe mit den sehr bedeutenden Zeichnungen in Hannover, Todesbiid.
Frankfurt und Wien. Gegenüber den letzten Zeichnungen der
Nürnberger Zeit ist ein sehr bezeichnender Wechsel im Ma-
terial eingetreten. Von der einfachen oder weiß gehöhten und
grundierten Federzeichnung will Grünewald nichts mehr
wissen. Er greift zu einem seinem malerischen Sehen adä-
quateren Material, der Kreide. Auch hier also die Abkehr von
Dürer.

Die Zeichnung (leider stark beschädigt) ist mit ungeheurem,
flammendem Temperament, wie mit vor Empfindung glühendem
Griffel, rasch hingeworfen, Mittel- und Hintergrund ganz skizzen-
haft, mit Strichen, die von Leben zittern. Auf welligem Boden,
am Waldrand (einige Stämme, durch den Rand abgeschnitten,
recken belaubte Aeste ins Bild hinein) zecht und schwatzt und
liebt eine lustige Gesellschaft, Männlein und Weiblein in jungen
Jahren. Vorn ein Kübel. Da — mit einem Mal, wie aus der
Erde gewachsen, steht der Tod am Tische, ein halbverwestes
Gerippe, einen Mantelfetzen umgeschlagen, wirre Haare, die
Sense geschultert, in der vorgestreckten Hand das Stundenglas,
in den Augenhöhlen ein furchtbares, gespenstisch glimmendes
Feuer. Entsetzt fährt ein zunächst sitzendes Mädchen nach
links herüber, ein anderes bricht in Tränen aus, ein drittes
will fliehen, ein Mann fährt wild und wütend auf und zieht
das Schwert, ein anderer blickt mit gefaßtem, aber glühendem
Blick auf seine Liebste, die zitternde Hand deutet hinaus in die
Landschaft: fahr wohl, du schöne Welt, nur ein Paar, das sich
umschlingt, bleibt ruhiger. Die furchtbare Aufregung und zu-
gleich das bannende Entsetzen, das Leben und Feuer der Blicke,
die Macht des Momentanen sind in Worten nur anzudeuten.
Dazu kommt der malerische Reiz der Ausführung. Weich und
breit, von höchstem Temperament ist der Strich, unter den in
einem feinen Helldunkelton zusammengestimmten belichteten
und beschatteten Flächen schimmern die plastischen Formen
nur noch durch, überall verschwindende, gebrochene Konturen.
Wie malerisch das Rlatt ist, sieht man beim Vergleich mit
Dürers «König Tod», der Kohlezeichnung von 1505 in London.
 
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