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Die Dresdener darf sich dieser ebenbürtig zur Seite stellen.
Daß sie noch in den Anfang dieser Zeit gehört, bezeugen
Typen und Gewandung, die der Dresdener Folge noch nahe
stehen.s 2

Das Berliner Kabinett, das überhaupt am reichsten an Hand-

Berlin,

Hand- Zeichnungen Grünewalds, bewahrt die 1512 datierte Kohlezeich-

zeichnung .

Veru-ündigiing nung einer Verkündlgung, ein Blatt von beträchtlicher Größe
(39 x 30, Nr. 3135).83 Das Datum, eines der wenigen, die wir über-
haupt haben, bezeichnet das Ende dieser Periode. Es ist eine
sorgfältige Studie. Die Figuren, wie immer bei Grünewald, ganz
vorn, der Boden nur eben angedeutet. Links steht Maria, in
beiden Händen ein Gebetbuch, in das sie schüchtern und ver-
wirrt herniederblickt. Von rechts naht ihr mit bewegtem Schritt,
mit eindringlich ausdrucksvollen Gebärden von Auge, Mund und
Händen der Engel, ein Zepter schulternd. Oben schwebt die
große, sehr individuell gebildete Taube, halb Kakadu, halb Adler.
Wir kennen die Bedeutung der gestikulierenden Hände in allen
Werken bisher. Der erregte, ausdrucksvolle Kopf des Engels
mit dem locker rieselnden Haar ist den Engeln des Aschaffen-
burger Altares unmittelbar verwandt; hier ist es nur ein er-
wachsener, kein Kinderengel. Ebenso knüpft die Bildung der
Hände, das köstlich lockere, leichte Haar Maria unmittelbar an.
Das sanfte Oval des Kopfes mit den wie in Aschaffenburg fast
geschlossenen Augen läßt den älteren Dresdener Typus noch
durchklingen. Auch das leicht auf dem Boden aufstoßende Ge-
kräusel der Gewandung findet sich in Aschaffenburg. Dort
schon gab die möglichst verhüllende Gewandung der Gestalt
eine ziemliche Fülle. Das erfährt hier eine charakteristische
Steigerung. Die im ganzen noch gotisch proportionierten Ge-
stalten erscheinen durch die Gewandung, die bei Maria nicht
einmal die Füße sehen läßt, breit, voll, monumental. Bei Maria
werden die großen, belichteten und beschatteten Flächen (mit
breiter Parallelschraffierung) noch von kleinerem Gekräusel
unterbrochen, letzten fernen Donnern der abziehenden Gotik,
beim Engel fällt und wallt es schon breit und mächtig, volle
Akkorde, großes Orchester mit Orgel. Ein neues Stilgefühl, die
entscheidendste Stilwandlung in seinem Schaffen kündigt sich
an. Sie vollzieht sich in seinem Hauptwerk, dem Isenheimer
 
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