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Bode, Wilhelm
Franz Hals und seine Schule: ein Beitrag zu einer kritischen Behandlung der holländischen Malerei — Leipzig, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.16216#0012
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— 4 —

Scheidung geht vor sicli während des grossen Freiheitskampfes der
holländischen Staaten. In diesen gewaltigen, fast achtzigjährigen Kampf
macht der zehnjährige Waffenstillstand von 1609 einen bedeutsamen Ein-
schnitt; die Zeit vor demselben charakterisirt sich als der Kampf für die
Begründung und um die Existenz des jungen Staates, der Kampf nach
Ablauf desselben ist der Triumph des modernen protestantischen Frei-
staates über das Weltreich der katholischen Krone Spaniens. In
jenem ersten Abschnitt des Kampfes, welcher die ganze Kraft jedes
Einzelnen zur Abwehr des nationalen Feindes, zur inneren Entwicklung
des neuen Staatslebens in Anspruch nahm, konnten nur die Keime ge-
legt werden für ein selbständiges nationales Geistesleben, dessen glänzende
Entwicklung sofort mit dem Eintritt der Waffenruhe beginnt. So bedeu-
tend die Leistungen sind, welche jetzt in einem Zeiträume von kaum
mehr als einem halben Jahrhundert auf dem Gebiete der Literatur und
der Wissenschaften der deutsche Geist unter den eigentümlich günstigen
Verhältnissen auf jenem kleinen ablegenen Theile seines Bodens hervor-
brachte, sie werden sämmtlich übertroffen durch die glänzende Entfal-
tung der Malerei. Der Zeit ihrer höchsten Blüthe, welche etwa um das
Jahr 1640 beginnt, geht eine Vorbereitungszeit voraus, welche an Viel-
seitigkeit jener späteren Entwicklung nur wenig nachgiebt, und welche
eine Anzahl von Meistern hervorgebracht hat, die in der holländischen
Kunst und selbst unter den Koryphäen der Kunst aller Zeiten und
Länder einen Ehrenplatz verdienen.

Auch diese Kunst gründet sich durchaus auf die vorangegangene
Entwicklung. Jene alte italienisirende Richtung der Malerei sehen wir
während der Freiheitskämpfe und selbst nach Ablauf derselben in voller
Blüthe und von angesehnen Meistern wie Cornelis van Haarlem, van Man-
der, Heemskerk, Bloemart vertreten; ja die italienische Kunst ist als Vor-
bild für alle historischen Gegenstände so allgemein anerkannt, dass sogar
die erste Gegenströmung wiederum eine Richtung der historischen Malerei
ist, die sich in Italien ausgebildet hat. Diese Erscheinung erklärt sich
aus dem gewaltigen Kriege, der eine kräftige Entfaltung der Kunst in
der Heimath unmöglich machte und viele der bedeutenderen Talente in
die Ferne — nach dem Lande der Kunst, nach Italien trieb. Das unter
solchen Umständen entstandene holländische Künstlerquartier in Rom
bleibt fortan in verschiedener Richtung während der gesammten Entwick-
lung der holländischen Malerei von Bedeutung. Doch unterscheidet sich
diese neue römische Schule von vornherein wesentlich von jenen Italikern,
welche in der missverstandenen und ungesunden Nachahmung eines Ra-
phael und Michel Angelo befangen waren. Die naturalistische Richtung
 
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