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ein wahrhaft grosser Künstler ist im Stande, seinen Bildnissen mit Bei-
behaltung der persönlichen Eigentümlichkeit zugleich den allgemeinen
Charakterzug seiner Zeit, seines Landes aufzuprägen; gerade diesen
lebendig auszudrücken, und nicht etwa vor Allem durch Festhalten an
kleinen und kleinlichen Aeusserlichkeiten eine täuschende Aehnlichkeit
zu erzielen, wird sein höchstes Streben sein. Der Grad, im welchem
Frans Hals diese's Ziel erreicht hat, sichert demselben seinen Platz unter
den grössten Bildnissmalern aller Zeiten.
Die moderne holländische Malerei hat es versucht, die hervorragendsten
Momente aus der grossen Vergangenheit Holland's, namentlich aus dem
Befreiungskampfe in umfangreichen historischen Bildern zu verewigen.
Aber alle diese Producte einer künstlichen Begeisterung und Eeflection
geben lins den Geist jener grossen Zeit nicht so gut wieder als ein
einziges Bildniss von der Hand des Frans Hals. Mögen seine Männer
versammelt sein, um sich gemeinsam in den Waffen zu üben oder zur
Berathung über das Wohl des Vaterlandes, mag der Meister sie uns
beim öffentlichen Festgelage oder im trauten Kreise der Familie schildern,
es sind Männer in den Gefahren des Krieges und des Meeres aufge-
wachsen, welche gern alles daran setzen, wo es gilt, ihre Ueberzeugung,
Freiheit und Glauben — aber auch ihren Vortheil durchzukämpfen; wu-
schen ein Geschlecht vor uns voll der stärksten Leidenschaften, die aber
ein scharfer Verstand, eine eiserne Willenskraft zu zügeln und zu leiten
wissen. Aehnlich die Fauenbildnisse des Frans Hals: Ihre hausbackenen
Physiognomien verrathen uns freilich, dass sie als gute Ehefrauen dem
Hauswesen vorzustehen, die Schranken der Weiblichkeit einzuhalten
wissen; und doch sprechen ihre Züge zugleich aus, dass sie ein Ver-
ständniss haben für die heilige Sache, für welche ihre Ehemänner so oft
ihr Leben einsetzten. Eine tiefere gemüthvolle Innerlichkeit geht freilich
diesen Gestalten meist ab; aber wir vermissen dieselbe nicht, sie würde
nicht hineinpassen in das Bild dieser thatkräftigen Verstandesmenschen
mit ihrer schroff ausgeprägten Individualität, ihrem naiven Selbstbe-
wusstsein.
In den zahlreichen Genrebildern des Frans Hals, von denen
uns leider nur ein geringer Theil erhalten ist, spricht sich ein ganz
ähnlicher Charakter aus, und zwar in so hohem Maasse, dass wir hier
— wie ich bereits oben ausgeführt habe — nur uneigentlich von Genre-
bildern reden können. Jene meist lebensgrossen Figuren von singenden
und spielenden Knaben, von Musikanten, von Händlern, ausgelassenen
Kneipbrüdern und losen Dirnen sind in der That Bildnisse aus den
unteren Schichten des Volkes, deren toller unverwüstlicher Humor aus
ein wahrhaft grosser Künstler ist im Stande, seinen Bildnissen mit Bei-
behaltung der persönlichen Eigentümlichkeit zugleich den allgemeinen
Charakterzug seiner Zeit, seines Landes aufzuprägen; gerade diesen
lebendig auszudrücken, und nicht etwa vor Allem durch Festhalten an
kleinen und kleinlichen Aeusserlichkeiten eine täuschende Aehnlichkeit
zu erzielen, wird sein höchstes Streben sein. Der Grad, im welchem
Frans Hals diese's Ziel erreicht hat, sichert demselben seinen Platz unter
den grössten Bildnissmalern aller Zeiten.
Die moderne holländische Malerei hat es versucht, die hervorragendsten
Momente aus der grossen Vergangenheit Holland's, namentlich aus dem
Befreiungskampfe in umfangreichen historischen Bildern zu verewigen.
Aber alle diese Producte einer künstlichen Begeisterung und Eeflection
geben lins den Geist jener grossen Zeit nicht so gut wieder als ein
einziges Bildniss von der Hand des Frans Hals. Mögen seine Männer
versammelt sein, um sich gemeinsam in den Waffen zu üben oder zur
Berathung über das Wohl des Vaterlandes, mag der Meister sie uns
beim öffentlichen Festgelage oder im trauten Kreise der Familie schildern,
es sind Männer in den Gefahren des Krieges und des Meeres aufge-
wachsen, welche gern alles daran setzen, wo es gilt, ihre Ueberzeugung,
Freiheit und Glauben — aber auch ihren Vortheil durchzukämpfen; wu-
schen ein Geschlecht vor uns voll der stärksten Leidenschaften, die aber
ein scharfer Verstand, eine eiserne Willenskraft zu zügeln und zu leiten
wissen. Aehnlich die Fauenbildnisse des Frans Hals: Ihre hausbackenen
Physiognomien verrathen uns freilich, dass sie als gute Ehefrauen dem
Hauswesen vorzustehen, die Schranken der Weiblichkeit einzuhalten
wissen; und doch sprechen ihre Züge zugleich aus, dass sie ein Ver-
ständniss haben für die heilige Sache, für welche ihre Ehemänner so oft
ihr Leben einsetzten. Eine tiefere gemüthvolle Innerlichkeit geht freilich
diesen Gestalten meist ab; aber wir vermissen dieselbe nicht, sie würde
nicht hineinpassen in das Bild dieser thatkräftigen Verstandesmenschen
mit ihrer schroff ausgeprägten Individualität, ihrem naiven Selbstbe-
wusstsein.
In den zahlreichen Genrebildern des Frans Hals, von denen
uns leider nur ein geringer Theil erhalten ist, spricht sich ein ganz
ähnlicher Charakter aus, und zwar in so hohem Maasse, dass wir hier
— wie ich bereits oben ausgeführt habe — nur uneigentlich von Genre-
bildern reden können. Jene meist lebensgrossen Figuren von singenden
und spielenden Knaben, von Musikanten, von Händlern, ausgelassenen
Kneipbrüdern und losen Dirnen sind in der That Bildnisse aus den
unteren Schichten des Volkes, deren toller unverwüstlicher Humor aus