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Bode, Wilhelm
Franz Hals und seine Schule: ein Beitrag zu einer kritischen Behandlung der holländischen Malerei — Leipzig, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.16216#0062
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— 52 —

Und doch sind Bilder dieser Zeit durchaus nicht selten; wir können den
Meister in deutschen Sammlungen, soweit mir bekannt, etwa in 30 Ge-
mälden von 1630 (?), sicher aber von 1632 bis 1639 von Jahr zu Jahr
verfolgen, seine Entwicklung von Schritt zu Schritt beobachten. Freilich
will man in öffentlichen Galerien diese Bilder gewöhnlich nicht als Ori-
ginalwerkc des Adriaen van Ostade gelten lassen, obgleich sie fast regel-
mässig bezeichnet und datirt sind; so heisst man in Dresden ein solches
Bild Brouwer (Nr. 1209), im Bevedere zu Wien (Nr. 43. VI) und in
der Akademie daselbst (Nr. 437) Isaak Ostade. Die beste Gelegenheit
zum Studium dieser Zeit bieten die Wiener Privatgalerien, in welchen
ungefähr ein Dutzend Werke aus derselben vorhanden sind. Was diese
Feriode, welche etwa mit dem Jahre 1639 ihren Abschluss erreicht,
wesentlich von der späteren Zeit des Meisters unterscheidet, liegt sowohl
in der Auffassung wie in der Behandlung. Statt des gemüthlichen Humors,
statt der Poesie und des behäbigen Kleinbürgerthums, welche den spä-
teren Bildern gemeinsam sind, kennzeichnet diese früheren Arbeiten ein
Streben nach Charakteristik, nach Leben und Bewegung, ein derber
Humor im Geiste des Hals und des Brouwer, — und zwar mehr nach
einer lebendigen Schilderung der bestimmten Scene, der Schmausereien,
Reigen, Tänze und Raufereien seines ausgelassenen Bauernvolkes, als
nach einer charakteristischen Ausprägung aller einzelnen Individualitäten.
Seine Figuren sind desshalb mehr typisch und selbst mehr Caricaturen
als die Wesen des Adriaen Brouwer. Seine Behandlung, die anfangs
etwas sorgfältig und trocken war, wird bald völlig frei und leicht; die
Färbung ist von vorn herein sehr durch den Ton gemässigt, der in den
ersten Bildern kühl und hell, später blond und leuchtend wird. Ein dem
Frans Hals wie seiner Schule durchaus fremder Zug ist bere.its in
den frühesten Bildern des A. van Ostade scharf ausgeprägt, nämlich das
Streben nach Helldunkel, dem sich auch die Composition des Meisters
unterordnet. Schon diese Eigenthümlichkeit macht es erklärlich, dass
Rembrandt's Kunstweise an dem auch geistig ihm verwandten Meister
nicht gleichgültig vorübergehen konnte. Bereits im Jahre 1638 beginnt
denn auch der Einfluss Rembrandt's sich geltend zu machen, und zwar
anfangs mehr im Machwerk, nach einigen Jahren jedoch auch in der
Auffassung, in der Schilderung des schlichten Lebens der unteren Stände,
das er mit ebenso viel Naivität wie gemüthvollem Humor in unerreichter
Meisterschaft zum Ausdruck gebracht hat.

Als einen Beweis für die Bedeutung, welche das Studium der Be-
zeichnungen und Monogramme für die Bestimmung der Werke, für die
Kritik derselben und selbst für die Biographie des Künstlers haben kann,
 
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