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Bode, Wilhelm
Vorderasiatische Knüpfteppiche aus älterer Zeit — Monographien des Kunstgewerbes, Band 1: Leipzig, [ca. 1902]

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https://doi.org/10.11588/diglit.16720#0066
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60

Wilhelm Bode:

Sammlung im Museo Poldi-Pezzoli zu
Mailand, die unter ihren Schätzen den
herrlichen Seidenteppich enthält. Das
Kais. Nuseum in Konstantinopel, das Czar-
toryski-Museum in Krakau, die Gewerbe-
Museen in Köln, Dresden, Leipzig und
Budapest haben wenigstens einzelne gute
und interessante Teppiche aufzuweisen.
Reich an Prachtstücken sind die Häuser
fast sämtlicher Mitglieder der Familie
Rothschild, namentlich in Wien und Paris;
eine Anzahl vorzüglicher Teppiche besitzen
Adolph Thiern in San Remo, George
Salting in London, W. von Dirksen, Arthur
Schnitzler, R. von Kaufmann und Dr. Fritz
Sarre in Berlin, Dr. Fritz Fiarck in Seusslitz,
Graf Enzenberg, Th. Graf, Dr. Figdor u. a.
von der Wiener Ausstellung bekannte öster-
reichische Sammler, ferner Graf Dönhoff-
Friedrichstein, W. von Seidlitz in Dresden,
A. Raffauf in Konstantinopel, vor allem
Baron Heinrich von Tucher in Nürnberg
und Rom u. a. m. Eine kleine sehr gewählte
Sammlung, darunter mehrere Seidentep-
piche, die im Kataloge seiner Versteigerung
1888 abgebildet sind, besass der Maler
E. Goupil. Eine grössere Zahl historisch
besonders interessanter Teppiche befindet
sich in meinem eigenen Besitze. Auch
einzelne Kirchenschätze, namentlich in
Italien (im Dom zu Padua, S. Francesco
zu Brescia u. s. f.) enthalten noch ver-
einzelte gute alte Teppiche, wenn auch die
Jagd auf solche während der letzten zwanzig
Jahre ihre Zahl sehr zusammengeschmol-
zen hat. Die Lager verschiedener Händ-
ler, ganz besonders das von Stefano Bar-
dini in Florenz, die noch bis vor wenigen
Jahren einen wertvollen Besitz an alten
Knüpfteppichen aufzuweisen hatten, sind
fast vollständig geräumt worden, nament-
lich durch amerikanische Sammler. In
New-York besitzen Mr. Marquard und
besonders Mr. Jerkes bereits sehr ansehn-
liche Sammlungen wertvoller alter Tep-
piche, und vereinzelt finden sich dort und
in anderen Städten der Vereinigten Staaten
schon manche gute alte Knüpfarbeiten
Westasiens.

Aus dieser Fülle ergiebt sich bei näherem

Studium eine keineswegs allzureiche Zahl
von Typen, die sich mit geringen Aende-
rungen wiederholen und deren Entstehung
oder Entwicklung durch ein oder zwei
Jahrhunderte an der Hand der Darstellungen
auf alten Gemälden sich nachweisen lässt.
Einzelne dieser Typen waren so verbreitet
und haben sich so lange erhalten, dass
sich noch Hunderte von Exemplaren da-
von erhalten haben. Ihr häufiges Vor-
kommen auf alten Bildern giebt uns zu-
gleich den Anhalt, um daraus für die
Behandlung und Entwicklung der Muster
in den alten Teppichen gegenüber den
modernen Fabrikaten bestimmte Schlüsse
zu ziehen; und diese unterstützen und
kontrollieren andererseits die Folgerungen,
welche wir aus dem Vorkommen der
Teppiche in alten Bildern für die Datierung
derselben zu machen im stände sind. Eine
Kontrolle ist aber um so notwendiger, als
eine Reihe von Künstlern es mit der
Zeichnung der Teppiche nicht sehr ernst
genommen, ja gelegentlich dieselben nach
eigenem Geschmacke umgestaltet haben.
Solche willkürliche Nachbildungen sind
neuerdings zuweilen unter die Muster alt-
orientalischer Teppiche aufgenommen, und
es sind selbst verwandte Arbeiten nor-
discher Stickerei oder Weberei mit ein-
geschmuggelt worden. Um für Auffindung
und Beurteilung dieser allgemeinen Normen
der Zeichnung und Formengebung in den
altorientalischen Teppichen die Grundlage
zu geben, sollen hier zunächst die ver-
schiedenen Typen derselben, wie sie uns
bisher aus Originalen und alten Nach-
bildungen bekannt geworden sind, in Wort
und Bild vorgeführt werden.

In den Tierteppichen des 16. Jahrhun-
derts ist das Innenfeld fast regelmässig in
derselben grossen Weise eingeteilt: in einen
mittleren Stern mit einem oder zwei an-
gehängten kleinen Feldern an den Lang-
seiten und Feldern in den Ecken, die sich
meist als Viertelausschnitt des mittleren
Sternes darstellen. Das Ganze ist mit
Ranken von Blüten und Blättern überzogen,
worin sich Tiere und Figuren gewisser-
 
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