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Bode, Wilhelm
Vorderasiatische Knüpfteppiche aus älterer Zeit — Monographien des Kunstgewerbes, Band 1: Leipzig, [ca. 1902]

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https://doi.org/10.11588/diglit.16720#0065
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II.

Die Zahl der bisher betrachteten
Teppiche in Seide, mit oder ohne Tiere,
und einzelner verwandter Knüpfarbeiten in
Wolle aus dem 16. und 17. Jahrhundert
ist verschwindend klein neben der Zahl
älterer Teppiche mit reinem Pflanzendekor
oder geometrischen Mustern. Die An-
nahme, dass uns nur ganz vereinzelte
Stücke älterer orientalischer Knüpfarbeit
erhalten seien, von der ). Lessing in seiner
bekannten, die wissenschaftliche Behand-
lung dieser Fragen zuerst anregenden
Teppichpublikation („Altorientalische Tep-
pichmuster", 1877) ausgegangen ist, und
die noch Riegl in seinem Handbuch über
„Altorientalische Teppiche" (1891) festhält,
ist durch die grossartige Teppich-Aus-
stellung im Handels-Museum zu Wien 1891,
selbst für ein grösseres Publikum wider-
legt worden; waren hier doch nahezu
150 „antike" Teppiche zur Schau gestellt.
Die Fülle und die ausserordentliche Man-
nigfaltigkeit der in Wien ausgestellten
Teppiche hat jedoch, selbst unter den
Fachmännern, keineswegs eine Einigung
über die schwierigen Fragen nach Alter
und Herkunft derselben herbeigeführt; sie
schien eher eine fatalistische Ergebung
in die Unmöglichkeit, eine Lösung zu
finden, zur Folge zu haben. So un-
günstig liegen aber meiner Ueberzeu-
gung nach die Verhältnisse keineswegs;
namentlich sind die Anhaltspunkte für die
Datierung der Teppiche, wenn auch nicht
auf das Jahr und meist auch nicht auf
das Jahrzehnt, so doch auf das Jahrhundert

zahlreich genug und überzeugend. Frei-
lich muss man zunächst den Ballast zahl-
loser geringwertiger und nur malerisch
gelegentlich noch reizvoller Arbeiten vom
Ende des 18. und aus dem 19. Jahrhundert
sowie die Nachahmungen neuerer Zeit aus-
sondern. Man darf sich auch nicht auf
das beschränken, was die Wiener Aus-
stellung und das darüber erschienene
reichhaltige Prachtwerk bieten: eine Anzahl
von Museen und Palästen, manche Privat-
sammlungen , einzelne Kirchenschätze,
Ateliers und Wohnräume bieten, zer-
streut und zum Teil schwer zugänglich,
ein sehr viel reicheres und vollständigeres
Material an wirklich alten Knüpfarbeiten
des Ostens, als man bis vor kurzem ahnte.

Wohl die umfangreichste und durch
die Zahl sehr früher Arbeiten besonders
interessante Sammlung altorientalischer
Teppiche besitzt das Berliner Kunstgewerbe-
museum; leider nur teilweise ausgestellt
und auch diese zerstreut oder ungünstig
aufgehangen, vielfach in schlechtem Zu-
stand und vermischt mit zahlreichen wert-
losen modernen Knüpfarbeiten. Von ähn-
licher Bedeutung und durch ihre gute
Aufstellung meist nützlicher sind die
Sammlungen des Orientalischen Handels-
Museums in Wien, des National-Museums
zu München, der Sammlung der Manu-
facture des Gobelins und des Musee des
Arts decoratifs zu Paris, vor allem die
Sammlung des South Kensington Museum
zu London mit besonders wertvollen Stücken
in bester Erhaltung. Reichhaltig ist auch die
 
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