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Wilhelm Bode:
denselben Dekor, gewöhnlich in feinerer
und zugleich strengerer Zeichnung.
Die orientalischen Stoffe des 14., ja
gelegentlich schon des 10. Jahrhunderts,
insbesondere die sizilianisch-arabischen,
zeigen häufig als Hauptmotiv drei mit
dem Rücken gegeneinander gestellte Halb-
monde, mit einer kleinen Kugel in der
offenen Hälfte, von denen Flammen aus-
gehen, genau so wie es die Familie Strozzi
in Florenz seit dem 14. Jahrhundert in
ihrem Wappen führt. Dass hier dasselbe
Motiv, wie in den späteren Teppichen und
Stoffen, zu Grunde liegt, ist kaum zweifel-
haft, da auch bei diesen jüngeren Arbeiten,
sobald sie feinere Zeichnung haben, die
kleinere Kugel in der gleichen Weise von
der grösseren eingeschlossen erscheint.
Ueber die bisher einzig dastehende
freie Nachbildung eines chinesischen Altar-
tisches mit einem baldachinartigen Aufbau
in Fledermausform darüber, die sich auf
dem prächtigen Seidenteppiche des Poldi-
Museums in Mailand findet, habe ich mich
oben schon näher ausgesprochen. Hier hat
der persische Weber aus den heiligen
Kugeln drei Blumen gemacht, die aus dem
vasenförmigen Altartisch herauswachsen.
Ebenso eigenartig und schön aus-
geprägt sind in dieser Epoche, namentlich
in Persien selbst, teilweise aber auch in
den von der persischen Kunst vielfach
abhängigen westlichen Gebieten, die sara-
zenischen und rein persischen Elemente
des Teppichdekors. Wie die Einteilung
der Fläche und das Verhältnis der einzel-
nen Teile, welche ich oben schon näher
angegeben habe, eine durchaus regel-
mässige und fein abgewogene ist, so ist
auch der Dekor selbst, im wesentlichen
ein Pflanzendekor, von demselben Stil-
gefühl durchdrungen und bei einem hoch
entwickelten Natursinn doch typisch und
auf wenige Grundelemente beschränkt, die
er in der mannigfaltigsten Weise ausbildet.
In dem verschlungenen Rankenwerk mit
Blüten und Blättern, mit denen das
Innenfeld wie die Borte in mannigfachster
Weise ausgefüllt ist, kehren einige wenige
Motive regelmässig wieder und beherrschen
den ganzen Dekor. Bestimmend ist die
volle blätterreiche Blume, einer stilisierten
Rose ähnlich, und ein langes und schmales,
in zwei auseinandergehenden Spitzen aus-
laufendes Blatt, dessen Form ich oben
mit dem ausgeschweiften Eisen einer Parti-
sane verglichen habe. Beide sind fast archi-
tektonisch streng gezeichnet; beide sind
uralte charakteristische Zeichen der sara-
zenischen Ornamentsprache. Die Blume,
bei der Beschreibung von Teppichen jetzt
meist als Palmette, bei den Stoffen als
Granatapfel bezeichnet, kann meines Er-
achtens nur aus der Wasserrose, der Lotos-
blume, hervorgegangen sein, die seit den
Anfängen der Künste an den Ufern des
Nils, in Mesopotamien und an den Riesen-
strömen Ostasiens sich Jahrtausende hin-
durch in Asien in eigentümlicher Weise
lebensfähig und belebend bewiesen hat.
Abwechselnd voll aufgeblüht oder ge-
schlossen, als Blüte oder als Knospe,
gross oder klein, im Durchschnitt oder
von oben gesehen, bildet die Blume das
eigentliche Leitmotiv im Dekor der Tep-
piche in dieser Blütezeit persischer Kunst,
woneben kleinere Blumen verschiedener
Art und Grösse (meist sternförmige Blumen),
gelegentlich auch eme grosse offene und
von oben gesehene Blüte, einer Klatsch-
rose ähnlich und wohl gleichfalls aus der
Lotosblume entstanden, zur Füllung der
Fläche benutzt werden. Jenes grosse par-
tisanenförmige Blatt, nach seinem häufigen
Vorkommen in der arabischen Kunst als
„Arabeske" bezeichnet, pflegt in der Borte
die volle Blume an beiden Seiten ein-
zurahmen, und in ähnlicher Anordnung
füllen beide häufig das Innenfeld der
Teppiche.
Die botanische Bestimmung der Blumen
oder Sträucher, welche neben der Lotos-
blume in älteren Teppichen (gewöhnlich nur
sparsam und untergeordnet) vorkommen,
ist bei ihrer Stilisierung meist sehr schwer
oder ganz unmöglich. Die kleineren Blüten
gleichen der Blüte des Apfelbaumes oder
der Mandel. Die stärker naturalistisch
behandelten Blumen, namentlich Tulpen,
Nelken und Hyacinthen, die in einer
Wilhelm Bode:
denselben Dekor, gewöhnlich in feinerer
und zugleich strengerer Zeichnung.
Die orientalischen Stoffe des 14., ja
gelegentlich schon des 10. Jahrhunderts,
insbesondere die sizilianisch-arabischen,
zeigen häufig als Hauptmotiv drei mit
dem Rücken gegeneinander gestellte Halb-
monde, mit einer kleinen Kugel in der
offenen Hälfte, von denen Flammen aus-
gehen, genau so wie es die Familie Strozzi
in Florenz seit dem 14. Jahrhundert in
ihrem Wappen führt. Dass hier dasselbe
Motiv, wie in den späteren Teppichen und
Stoffen, zu Grunde liegt, ist kaum zweifel-
haft, da auch bei diesen jüngeren Arbeiten,
sobald sie feinere Zeichnung haben, die
kleinere Kugel in der gleichen Weise von
der grösseren eingeschlossen erscheint.
Ueber die bisher einzig dastehende
freie Nachbildung eines chinesischen Altar-
tisches mit einem baldachinartigen Aufbau
in Fledermausform darüber, die sich auf
dem prächtigen Seidenteppiche des Poldi-
Museums in Mailand findet, habe ich mich
oben schon näher ausgesprochen. Hier hat
der persische Weber aus den heiligen
Kugeln drei Blumen gemacht, die aus dem
vasenförmigen Altartisch herauswachsen.
Ebenso eigenartig und schön aus-
geprägt sind in dieser Epoche, namentlich
in Persien selbst, teilweise aber auch in
den von der persischen Kunst vielfach
abhängigen westlichen Gebieten, die sara-
zenischen und rein persischen Elemente
des Teppichdekors. Wie die Einteilung
der Fläche und das Verhältnis der einzel-
nen Teile, welche ich oben schon näher
angegeben habe, eine durchaus regel-
mässige und fein abgewogene ist, so ist
auch der Dekor selbst, im wesentlichen
ein Pflanzendekor, von demselben Stil-
gefühl durchdrungen und bei einem hoch
entwickelten Natursinn doch typisch und
auf wenige Grundelemente beschränkt, die
er in der mannigfaltigsten Weise ausbildet.
In dem verschlungenen Rankenwerk mit
Blüten und Blättern, mit denen das
Innenfeld wie die Borte in mannigfachster
Weise ausgefüllt ist, kehren einige wenige
Motive regelmässig wieder und beherrschen
den ganzen Dekor. Bestimmend ist die
volle blätterreiche Blume, einer stilisierten
Rose ähnlich, und ein langes und schmales,
in zwei auseinandergehenden Spitzen aus-
laufendes Blatt, dessen Form ich oben
mit dem ausgeschweiften Eisen einer Parti-
sane verglichen habe. Beide sind fast archi-
tektonisch streng gezeichnet; beide sind
uralte charakteristische Zeichen der sara-
zenischen Ornamentsprache. Die Blume,
bei der Beschreibung von Teppichen jetzt
meist als Palmette, bei den Stoffen als
Granatapfel bezeichnet, kann meines Er-
achtens nur aus der Wasserrose, der Lotos-
blume, hervorgegangen sein, die seit den
Anfängen der Künste an den Ufern des
Nils, in Mesopotamien und an den Riesen-
strömen Ostasiens sich Jahrtausende hin-
durch in Asien in eigentümlicher Weise
lebensfähig und belebend bewiesen hat.
Abwechselnd voll aufgeblüht oder ge-
schlossen, als Blüte oder als Knospe,
gross oder klein, im Durchschnitt oder
von oben gesehen, bildet die Blume das
eigentliche Leitmotiv im Dekor der Tep-
piche in dieser Blütezeit persischer Kunst,
woneben kleinere Blumen verschiedener
Art und Grösse (meist sternförmige Blumen),
gelegentlich auch eme grosse offene und
von oben gesehene Blüte, einer Klatsch-
rose ähnlich und wohl gleichfalls aus der
Lotosblume entstanden, zur Füllung der
Fläche benutzt werden. Jenes grosse par-
tisanenförmige Blatt, nach seinem häufigen
Vorkommen in der arabischen Kunst als
„Arabeske" bezeichnet, pflegt in der Borte
die volle Blume an beiden Seiten ein-
zurahmen, und in ähnlicher Anordnung
füllen beide häufig das Innenfeld der
Teppiche.
Die botanische Bestimmung der Blumen
oder Sträucher, welche neben der Lotos-
blume in älteren Teppichen (gewöhnlich nur
sparsam und untergeordnet) vorkommen,
ist bei ihrer Stilisierung meist sehr schwer
oder ganz unmöglich. Die kleineren Blüten
gleichen der Blüte des Apfelbaumes oder
der Mandel. Die stärker naturalistisch
behandelten Blumen, namentlich Tulpen,
Nelken und Hyacinthen, die in einer