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C. G. Boerner, Auktions-Institut, Kunst- und Buchantiquariat <Leipzig> [Hrsg.]
Manuskripte mit Miniaturen des XIII. bis XV. Jahrhunderts - dabei die Weltchronik des Rudolf von Ems sowie ein prachtvolles römisches Missale, Einzelminiaturen des XII. bis XVI. Jahrhunderts von ausgesuchter Qualität, Originalhandzeichnungen des XV. bis XVII. Jahrhunderts - dabei eine wertvolle Sammlung von deutschen und niederländischen Zeichnungen des XV. Jahrhunderts: Versteigerung: Donnerstag, den 28. November [1912] (Katalog Nr. 110) — Leipzig, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.16500#0031
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II. Miniaturen des XII. bis XVI. Jahrhunderts.

Der heilige Gregor.

(Rückseite:)

Ein Bischof bei der Messe mit den Stiftern,

9 Deckfarben. 12. Jahrhundert. Pergament. Die Miniaturen 285 : 220 und 257 : 200 mm.
Das ganze Blatt 366:245 mm.

Zwei hervorragend schöne große Miniaturen von prachtvoller Farbenwirkung.

Die farbigen Reproduktionen auf den Tafeln entheben uns einer genauen Beschreibung.

Das Blatt scheint aus einem Sakramentarium vom Anfang des 12. Jahrhunderts zu stammen.
Der heilige Gregor wird durch die auf seiner Schulter sitzenden Taube des heiligen Geistes
gekennzeichnet. Die Attribute seiner päpstlichen Würde fehlen.

Die Rückseite gibt eine D arstellung des Sakramentes des Altars. In der Mitte ein
heiliger Bischof vor dem einfachen Altar; in der Linken hält er die Hostie erhoben, mit der
Rechten scheint er auf den mit der Patena bedeckten Kelch zu deuten. Merkwürdig ist die
dem 12. Jahrhundert eigentümliche Form der Mitra in Gestalt einer von der Stirn zum Hinter-
haupt geteilten Doppelmütze mit hohen, oben halbkreisförmig abgeschlossenen roten Seitenteilen,
tief eingesenktem weißen Schmuckband (titulus) und schmalem weißen Stirnreif fcirculus). Links
hinter dem Bischof steht der assistierende Diakon in der Dalmatika und mit großer Tonsur.
Der bärtige Mann links im pelzgefütterten Mantel, das Schwert in der Hand, das Haupt mit
einer phrygischen Pelzmütze bedeckt, scheint der fürstliche Stifter, die Frau rechts vom
Altar seine Gemahlin zu sein. Ihre Zusammengehörigkeit wird durch die gleiche Farbe des
Mantels (rot mit weißen Kreisen, wie die Casula des Bischofs) hervorgehoben.

Von dem großen künstlerischen Feingefühl des Malers zeugen die herrlichen Bordüren.
Die Vorderseite mit der einzelnen, ruhigen Gestalt des heiligen Gregor hat der Künstler durch
Unterbrechung der Seitenleisten und durch die vier runden Medaillons in den Ecken mit den
Löwen und den das Judentum und das Christentum versinnbildenden Brustbildern belebt, die
figurenreiche und stark gegliederte Darstellung der Rückseite durch den ruhigen Rahmen zu-
sammengehalten. Eine reiche Phantasie bekunden die Füllungen: Alle Leisten, auf der Vor-
derseite sechs, auf der Rückseite vier Stücke, haben verschiedene Ornamente. Jedes
Ornament ist in der Form wie in der Farbe gleich sorgfältig durchgearbeitet.

Das sonst übliche Gold fehlt ganz; statt die Hintergründe mit strotzendem Metall auszu-
füllen, hat der Maler das weiße Pergament stehen lassen. Gerade durch diese Beschränkung
ist die durch nichts gestörte harmonische Gesamtwirkung der Farben erzielt, die wir
an den beiden Miniaturen bewundern müssen.

Siehe die beiden farbigen Abbildungen.

Die Geburt Christi, rückseitig: Die Verkündigung.

10 Federzeichnung und Farben auf Pergament. Deutsche Schule des 12. Jahrhunderts.
112:170 und 109:167 mm.

Ein prachtvolles Specimen frühdeutscher Kunst.

Beide Darstellungen sind von zwei Leistenbordüren eingefaßt, von denen die äußeren,
schmäleren in bläulich-grau, die inneren, breiteren in grün gehalten sind. Die Innenfelder sind
in blau, resp. lila ausgeführt. Die Darstellungen selbst zeigen-, der Frühe der Zeit entsprechend,
in perspektivischer Hinsicht noch einige Unbeholfenheit, doch verrät die Ausführung eine hohe
künstlerische Begabung des Malers. In der vorderen Darstellung, der Verkündigungszene, sehen
wir links den Engel stehen, mit braunem, lockigem Haar und in lange weiße Gewänder gehüllt.
Die Rechte erhebt er prophezeiend gegen die Jungfrau, in der Linken hält er einen langen
Stab, dessen Spitze mit Akanthusblättern verziert ist. Die Flügel sind in rot und grün abge-
setzt. Rechts neben ihm steht die Jungfrau, mit grünem Untergewand und grünem Kopftuch,
die rechte Hand hält sie wie abwehrend gegen den Engel erhoben. — Die Darstellung der
Rückseite ist noch um vieles interessanter und merkwürdiger. Die Jungfrau liegt auf einem
langen Ruhebett, das sich von der oberen Hälfte der linken Bordüre bis in die rechte untere
Ecke erstreckt. Sie ist in weiße Gewänder gehüllt und trägt ein lila abgesetztes Kopftuch. Mit

Auktions-Katalog CX von C. G. Boerner. Miniaturen und Handzeichnungen.
 
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