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C. G. Boerner, Auktions-Institut, Kunst- und Buchantiquariat <Leipzig> [Editor]
Sammlung kostbarer alter Holzschnitte des 15. bis 19. Jahrhunderts: dabei die bekannte Spezialsammlung des 1916 in Wien verst. Herrn Josef Wünsch ; hervorragende Einblattholzschnitte des 15. Jahrhunderts ... ; Versteigerung am 4. Mai 1927 und den 5. und 6. Mai (Katalog Nr. 154) — Leipzig, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.16333#0013
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EINE merkwürdige Fügung hat es mit sich gebracht, daß der Holzschnitt — zweifellos in
früheren Jahrhunderten weit verbreiteter als der jederzeit teurere Kupferstich — gerade
wegen seiner Wohlfeilheit dem Untergange in einem Maße ausgesetzt war, daß sich jenes Ver-
hältnis heute geradezu umgekehrt hat. Hierzu kam eine Geschmacksrichtung des ganzen 18. und
19. Jahrhunderts, die dem starken Ausdruck und der primitiven Form des älteren Holzschnitts
abhold war und diese Produktion mit Ausnahme der Werke einiger weniger größter Künstler aus
ihren Graphiksammlungen auszuschließen pflegte. Das Resultat ist, daß eine Holzschnilt-Spezial-
Sammlung des Umfangs und der Bedeutung wie die hier beschriebene, wahrscheinlich überhaupt
noch nie in einer öffentlichen Auktion ausgeboten wurde und wenig Aussicht besteht, daß sich
eine solche Auktion wiederholt, während sich das Interesse der Kunstwelt in den letzten zwanzig
Jahren gerade diesem Gebiet in stärkstem Maße zugewendet hat. Es ist keine Übertreibung, zu
sagen, daß ein großer Teil der hier angebotenen Blätter kaum je wieder auf den Markt kommen
wird, und zwar auch der Schnitte des 16.—17. Jahrhunderts, während die meisten Kupferstiche
und Radierungen dieser Zeit fast Jahr für Jahr irgendwo im Handel vorzukommen pflegen.

Das Verhältnis des Holzschnittes zum gedruckten Buch bringt es ferner mit sich, daß ein großer
Teil der Holzschnitte auch der bedeutendsten Künstler, soweit sie der Illustration dienten, vor der
Verwendung zum Buch überhaupt nicht oder nur in wenigen Probedrucken abgezogen wurde, so daß
der Graphiksammler und das öffentliche Kabinett, dem das Buch selbst zu kaufen fern liegt, wohl
oder übel sich auch dem Buchausschnitt zuwenden muß. Die vorliegende Sammlung bietet eine
einzigartige Gelegenheit, zur Vervollständigung der Holzschnitt-Bestände auch in dieser Richtung,
da sie neben den zahlreichen Kostbarkeiten der Einblatt- und Probedrucke naturgemäß dem
Buchausschnitt in schöner Druckqualität einen weiten Raum eingeräumt hat. Die Fülle dieses
Materials zwang zu starken Zusammenfassungen, besonders am Schluß des Katalogs, dem die
hohe künstlerische Qualität der Blätter eigentlich widersprach. Dagegen erscheint es zufällig, daß
der alte Farbenholzschnitt, der erst in letzter Zeit die ihm zukommende Beachtung und hohe
Bewertung gefunden hat, bei weitem die stärkste und eigenartigste Sonderabteilung der Sammlung
bildet. Eine solche Vereinigung von seltenen Drucken und besten Qualitäten, besonders auch unter
den außeritalienischen Schulen, hat sich noch in keinem Auktionskatalog zusammengefunden.

Es entsprach dies einer besonderen Liebhaberei des Holzschnittsammlers Joseph Wünsch,
dessen Sammlung den größten Teil des vorliegenden Katalogs bildet, und der wohl der einzige
Holzschnitt-Spezial-Sammler seiner Zeit war. Joseph Wünsch wurde 1843 in Prag geboren und
lebte seit 1875 in Wien als leitender Direktor der Brauerei Währing. Wünsch nahm am öffent-
lichen Leben regen Anteil. Neben vielen anderen Ehrenämtern versah er durch viele Jahre mit
größter Hingebung das Amt eines Geschäftsführers des Wiener Altertumsvereins. Später zog er
sich ins Privatleben zurück und widmete sich ganz seinen Sammlungen, durch welche er auch
zu schriftstellerischen Arbeiten geführt wurde, deren bedeutendste und umfangreichste die im Verlag
der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst erschienene Biographie des österreichischen Graphikers
Blasius Höfel ist. Joseph Wünsch starb im Jahre 1916.

Möge die Versteigerung dieser Sammlung dazu beitragen, den meist noch sehr lückenhaften Holz-
schnittbestand der öffentlichen und privaten Sammlungen in aller Welt zu stärken. Versäumtes
ist hier besonders schwer nachzuholen.
 
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