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C. G. Boerner, Auktions-Institut, Kunst- und Buchantiquariat <Leipzig> [Hrsg.]
Handzeichnungssammlung des im Haag verstorbenen Dr. C. Hofstede de Groot: niederländische Meister des XVII. Jahrhunderts ; Originalzeichnungen Rembrandts ; Versteigerung am 4. November 1931 durch C. G. Boerner in Leipzig ((Versteigerung Nr. 174) — Leipzig, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.3262#0006
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CORNELIS HOFSTEDE DE GROOT.

Ich sehe ihn noch vor mir als hochgewachsenen schmächtigen jungen Mann, bartlos und blond,
wie er 1890 von Leipzig nach Dresden kam, um als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter an unserm
Kupferstichkabinett tätig zu sein. Wir bedurften sehr dringend seiner Hilfe, denn besonders
über der Abteilung der Handzeichnungen brauten die Nebel der guten alten Zeit, in der kaum
noch das Auge eines Sachverständigen die Mappen der alten Meister gestreift hatte und die
kostbarsten Perlen der Sammlung: Van Eyck, Breughel, Signorelli, Rembrandt usw., zu lebens-
länglicher Ausstellung in primitiven Glasrahmen verurteilt, jahrzehntelang den zerstörenden
Einflüssen von Staub und Sonnenlicht preisgegeben waren. Er fand ein reiches Feld der Tätig-
keit vor im Bestimmen der erst zum kleinsten Teil neu aufgestellten Mappen seiner Lieblings-
meister, der Holländer des XVI. und XVII. Jahrhunderts, von denen viele ihre stolzen Namen
einbüßten oder als minderwertig in die zweite Garnitur verbannt wurden. Dann aber - und das
war ihm wohl die liebste Tätigkeit, durchforschte er mit dem gleichgesinnten Woldemar von
Seidlitz die große Menge der seit dem XVIII. Jahrhundert uneingeordneten Klebebände, die in
dem bunten Durcheinander der Tausende von Zeichnungen unbestimmter Herkunft eine schier
unversiegliche Quelle der interessantesten Entdeckungen bildeten.

Der junge Forscher hielt es nicht lange bei uns aus. Mit dem Bestand an Handzeichnungen war
sein Interesse an unserem Kupferstichkabinett erschöpft, und es drängte ihn, auch die andern
Galerien und Kabinette kennenzulernen. Zielbewußt ging er damals an sein Lebenswerk, den
Meistern der holländischen Blütezeit einen Ehrentempel zu errichten, die heimischen Archive
nach ihnen zu durchforschen und die Sammlungen ihrer Werke zu bereichern.
Daneben fand er noch Zeit, für sich selbst eine der reichsten und gewähltesten Privatsammlungen
von Handzeichnungen anzulegen, die mit den umfangreichen Stiftungen an das Rijksmuseum
in Amsterdam und an seine Vaterstadt Groningen keineswegs erschöpft war, sondern noch
Material genug für die in diesem Versteigerungskatalog verzeichneten und vielfach abgebil-
deten Blätter übrig ließ. Der Reichtum der Sammlung war so groß, daß noch etwa 20 Zeich-
nungen Rembrandts, mehr als 30 der seltenen Landschaften Lambert Doomers, neben Perlen
von Ter Borch, Buytewech, Cuyp, Köninck und Potter blieben.

Was Cornelis Hofstede de Groot in seinem weiteren Lebensgang als Forscher, als Gelehrter und
Entdecker für die Kunstgeschichte seiner engeren Heimat getan hat, ist zu bekannt, um hier
anders als in aller Kürze wiederholt zu werden. Als er am 14. April 1930 im Haag starb, ging
ein Echo von Trauer durch die Fachzeitschriften, die einstimmig seinen Tod als den des aller-
gründlichsten, fleißigsten und besten Kenners der holländischen Kunst beklagten. Ein halbes
Jahrhundert lang hatte er seine unermüdliche Arbeitskraft nur diesem einen Ziel gewidmet und
schließlich mit einem Stab in seinem Sinne geschulter Helfer dem Vaterland eine ganze Kunst-
geschichte hinterlassen, wie es sie vordem nie besessen hatte.

Cornelis Flofstede de Groot wurde am 9. November 1863 als Sohn einer Pastoren- und Gelehr-
tenfamilie geboren. Von früh an zeigten sich die charakteristischen Züge dieser Abstammung
in der Lauterkeit und Klarheit seines Wesens, in der Sicherheit seines Blickes, der Geradheit
seines Charakters, der strengen Selbstzucht, die er in seiner ganzen Lebensführung übte, der
Herzensgüte und der Bereitwilligkeit, zu helfen, wo irgend man seiner Hilfe bedurfte. Sein sehr
feinfühliger Gerechtigkeitssinn war so ausgeprägt, daß er von keinen Äußerungen der Tages-
presse erschüttert werden konnte. Nur die eigene Überzeugung war ihm Norm. Er stellte sich
wissenschaftlich die allergrößten Aufgaben und ruhte nicht eher, bis er sie zu gutem Ende ge-
führt hatte. Opfer an Zeit und Geduld, vor denen andere zurückgeschreckt wären, waren ihm
 
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