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Boetticher, Ernst
... Sendschreiben über Troja (Teil 5): Hissarlik, wie es ist: auf Grund der Untersuchungen vom 1. bis 6. Dezember 1889 und im Frühjahr und Sommer 1890 ; (nebst Protokoll der Zeugen) — Berlin, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.5497#0043
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Ilion war, das sollte man nicht vergessen, eine zu bedeutende Stadt, als dass
der von Schliemann ihr zugedachte Kaum ausreichend gewesen sein könnte. Wenn,
wie Sueton (Cäsar, 79) sehreibt, Cäsar entschlossen war, Ilion, das nach fast all-
. gemeiner Annahme auf dem Boden des alten Troja stand, zur Hauptstadt des sich
immer weiter nach Osten ausdehnenden römischen Reiches zu machen, wenn
Augustus diese Absicht aufgenommen (Horat. Carm. III, 3), und Constantin d. Gr.
sie zu verwirklichen schon begonnen hatte, bevor er Byzanz wählte, so wurden
jene grossen Geister in erster Linie gewiss von der Rücksicht auf die geographisch-
politische Bedeutung Ilions geleitet. Die Stadt kann also nicht unbedeutend ge-
wesen sein und muss ausserdem in ihrer Lage gewisse Vorbedingungen für Ent-
wiekclung und Ausbau zur Weltstadt geboten haben. Kein Zweifel, dass Schliemann's
Ilion dem nicht entspricht. Ilion war auch unter Constantin's nächsten Nach-
folgern noch eine blühende Stadt, wie aus einem (von Dr. C. Henning veröifent-
liehten) Brief des Kaisers Julian Apostata hervorgeht, und es wird noch im 10. Jahr-
hundert als Bischofssitz erwähnt (Const. Porphyrogennetos „De cerem.", II, 54.
S. 792. 794.). Ist es glaublieh, dass von einer so spät noch existirenden Stadt nur
die wenigen Reste, welche Schliemann auf Hissarlik zeigt, übrig seien? Constantin
d. Gr. hatte zu Ilion schon bedeutende Prachtbauten aufgeführt (Gibbon Kap. 17),
bevor er seine Absicht, es zur Hauptstadt seines Reiches zu machen, aufgab. Der
Bauplatz ist unbekannt, nach Zosimos lag er zwischen Alexandria-Troas und dem
alten Ilion, nach Zonaras bei Sigaion ('Ev Ei-fau;)), einem Vorgebirge (Cap) 2000 m
südlich von der Skamandermündung (vgl. Ed. Meyer, Geschichte v. Troas). Kann
Constantin sich seine Hauptstadt auf dem Plateau'chen von Hissarlik gedacht
haben, können die dort von Schliemann aufgedeckten Baureste aus historischer
Zeit von jenen Bauten Constantins herrühren? Nicht wohl! Dagegen ist nach
Schliemann's eigener Angabe (Troja S- 272) der Boden dort, wo Zonaras den Bau-
platz Constantin's angiebt, weithin mit Bruchstücken von Marmorsäulen und anderen
vVrchitecturblöcken bedeckt. Schliemann bemerkt, das beweise, dass nördlich vom
Sigaion-Vorgebirge eine bis an die Skamandermündung ausgedehnte Stadt gelegen
und das jetzt dort stehende türkische Fort Kum Kaleh noch mit eingeschlossen
habe. Dabei begegnet ihm etwas ähnliches wie mit den Stadtruinen am Iloshügel,
in welchen er Polion erkennen will.

Diesmal nennt er die Stadt .,Achilleion", weil dort der in historischer Zeit
allgemein für das Grab des Achilleus angesehene grosse Tumulus liege, und dieser
nach Angabe einer Reihe von Autoren (Strabo XIII, 595, Arrian An. I, 11. 12.,
Plinius Hist. Nat. V, 33, Lukianos Charon, 521, Quintus Smyrnäus VII, 402,
Dio Cassius LXXVII, 16 u. A.) innerhalb des befestigten Achillekm gelegen
habe- Aber — das befestigte „Achilleion", worin der Hügel lag, war keines-
wegs eine Stadt, sondern das „Heiligthum des Achill" und befand sich in oder un-
mittelbar bei der Stadt Ilion, wie aus dem oben erwähnten Brief des Kaisers Julian
hervorgeht (von Schliemanu selbst in Ilios S- 206 abgedruckt). Darin heisst es
„derselbe (Pegasios) begleitete mich auch zum Achilleion (;rpöc tö 'A)(iXXeiov)
„und zeigte mir das Grab (töv vxfov) unberührt". Die unmittelbare Zugehörigkeit
„des Achilleion" zur Stadt Ilion folgt auch aus der Angabe des Philostratos, dass
die aiolischen Thessalier auf Geheiss des Orakels von Dodona alljährlich „Todten-
 
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