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Boetticher, Ernst
... Sendschreiben über Troja (Teil 5): Hissarlik, wie es ist: auf Grund der Untersuchungen vom 1. bis 6. Dezember 1889 und im Frühjahr und Sommer 1890 ; (nebst Protokoll der Zeugen) — Berlin, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.5497#0044
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opfer für Achill" nach Ilion sandten- Die Opferstätte war natürlich das Grab des
Achill im Achilleion.lb) Nach Alledem ist nicht daran zu zweifeln. dass das
historische Ilion wirklich, wie es der Natur der Dinge angemessen war, bis nahe
an die Küste reichte, und wohl noch etwas näher, als ich es auf der Karte S- 36
angedeutet habe.

Es liegt nun die Frage nahe, warum die Iiier, wenn sie nicht das Plateau
von Hissarlik für die Todtenbestattung benutzt haben, dort den von Schliemaun
. (Ilios S. 699) nachgewiesenen Tempel erbaut haben. Sehliemann glaubt „denselben
einen Athenetempel nennen zu dürfen" (Troja S. 227), indessen könnte man auf
Grund des bekanmeu Triglyphon, das „den Phöbus Apollo mit der Quadriga der
Sonne" darstellt (Ilios S. 695,. Troja S*. 220) und verwandter Bildwerke (Troja
Nr. 113 u, 115) wohl mit grösserem Recht ein Heiligthum des Sonnengottes
darin erkennen. Das entspräche der Thatsache, dass Ilion eine (wahrscheinlich
sogar uralte) Sonnenkultstätte war, wo auch Hellas auf Geheiss der Orakel von
Dodona und Delphi (den ältesten griechischen Sonneukultstätten) eifrig opferte.
Ich erwähnte bereits die alljährlich von den äolischen Thessaliern dargebrachten
sogenannten Todtenopfer für Achill den Sonnengott. Auf Geheiss des Orakels
von Delphi mussten die Lokrer sogar jährlich zwei aus den vornehmsten Familien
ausgewählte Jungfrauen als Sühnopfer nach Ilion senden (Polybius XII, 57), und
über das Loos dieser Jungfrauen wissen Spätere allerlei Seltsames zu erzählen,
auch dass sie getödtet und verbrannt worden seien (Tzetzes ad Lycophr. AI.
1141—73).16) Diese Menschenopfer für den Sonnengott, zu denen Misswachs und
Hungersnoth Veranlassung gab, begannen nach Polyb schon 680 v. Chr., nach
Anderen 560, und wurden erst nach dem phokischen Kriege eingestellt.

Demgegenüber bleibt es doch ein eigenthümliches Zusammentreffen, dass,
unter dem, ausweislich seiner Architectur- und Sculpturreste erst im 4. Jahrhdt.
v- Chr. erbauten ilischen Tempel, also in älteren Schichten, allerlei Funde Ver-
brennung junger weiblicher Personen beweisen. Dahin gehören das angebrannte Skelett
eines jungen Mädchens in sieben Fuss tiefer Holzasche (Ilios S. 307), der Schädel
einer jungen weiblichen Person, der in einem Pithos zusammen mit menschlicher
Asche gefunden wurde und nach Virchow altgrieehischen Typus hat (Ilios S. 570),
sowie Aschenurnen, in denen auf der Asche der Mutter das Skelett eines Fötus
lag (Ilios S. 259, 365). Ueberhaupt erhellt ja aus der Menge von weiblichem
Schmuck und „Spinnwirteln" (22,000), neben dem Fehlen eigentlicher Waffen, ein
auffälliges Ueberwiegen weiblicher Bestattungen, gleichwie die Gesichts-Aschenurnen
in der Mehrzahl mit weiblichen Geschlechtsabzeichen ausgestattet sind.

Die Erbauer des erwähnten ilischen Tempels konnten über Inhalt und Be-
schaffenheit des Baugrundes nicht im Unklaren sein, zumal sie zur Fundamentiruug

15) War Achill, wie man sagt, eine Personifizirung des Sonnengottes, so war sein
Grab nur ein symbolisches (daher tatpoc s. oben) und die Lage dieser Opferstätte am
westlichen Meere^ das allabendlich das Grab der untergehenden Sonne wurde, sehr
sinnig gewählt. Dort wurde schon Eolyxena, Priamus Tochter, geopfert, d. h. dem
Achill symbolisch vermählt (vgl. Serv. ad Virg. Aen. III, 322). Siehe auch Anm. 17.

16) Ich verdanke diese Notiz E. Brentano (t 1883).
 
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