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Boetticher, Ernst
... Sendschreiben über Troja (Teil 5): Hissarlik, wie es ist: auf Grund der Untersuchungen vom 1. bis 6. Dezember 1889 und im Frühjahr und Sommer 1890 ; (nebst Protokoll der Zeugen) — Berlin, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.5497#0045
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hier und da ganze Schichten bis zu beträchtlicher Tiefe abtrugen (Ilios S- 37, 680).
Stellten sie also ihren Tempel unter Aufwand gewaltiger Fundaiuentirung auf so
schlechten Grund, wie der Schutthügel von Hissarlik ihn bot, so können nur be-
sondere Rücksichten, und zwar solche, die von jeher bei Errichtung von Heilig-
fchü'mern maassgebend waren, sie dazu bestimmt haben. Mit anderen Worten, der
Schutthügel von Hissarlik war ihnen als traditionelle Kultstätte heilig, und man
kann versucht sein, zu glauben, die alte Feuernekropole sei zugleich der Schauplatz
jener dem Sonuengott gebrachten Menschenopfer gewesen. ")

") Jene Mädchenopfer verdienen in mehrfacher Hinsicht unsere Aufmerksamkeit,
und wieder ist es Südost-Asien, wo wir in noch, heute herrschenden Bräuchen Auf-
klärung über jene vorgeschichtlichen linden. Nach Paris, Voyage d'explorätion de
Hue en Cochinchine (Paris 1889) müssen die Familien der Provinz Hung-hoa der Reihe
nach ein Mädchen von 16 Jahren zur Vermählung Buddhas liefern. Sechs Wochen
vor derselben wird dasselbe besonders gut gepflegt und am Vermählxiugstage in fest-
lichem Schmuck in einen Tempel geführt. Am andern Morgen findet man das arme
Opfer todt auf dem Boden liegen. Dann sagen die Leute, Buddha habe die Seele
seinem göttlicheu Wesen vermählt. Wahrscheinlich werden diese Opfer von den Priestern
vergiftet. Wir können nicht wohl zweifeln, dass auch die alljährlich nach Ilion, der
hochheiligen Sonueukultstätte gebrachten Mädchen „dem Sonnengott« vermählt'' wurden,
worauf mau die Körper verbrannte. Ein Seitenstück zu diesen Opfern siud die au
den Namen „Minotauros" geknüpften kretensischen. Ich deute dies Wort als „eherner
Stier" (Mino identisch gedacht mit Mine, Erzgang, Erz) und erinnere an den phönizi-
scheu und karthagischen Brauch, dem Bei (babylon. Sonneugott) zu Ehren Menschen-
opfer in glühenden Erzbildern von Stiergestalt zu verbrennen, sowie an einen ähnlichen
in Südost-Asien, demzufolge sich die Frauen eines verstorbenen Fürsten in den ehernen
Stier stürzen müssen, worin der Leichnam des gemeinsamen Gatten verbraunt wird.
(Wurde noch in den 4üiger Jahren auf der ostindischen Insel Berli beobachtet.)

Die Verbrennung in einem glühenden Pithos von Eigestalf ist gleichfalls
charakteristisch, denn das von der Sonne ausgebrütete Straussen-Ei war Sinnbild der
Sonne und der Wiedererweckung.
 
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