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Boetticher, Ernst
... Sendschreiben über Troja (Teil 5): Hissarlik, wie es ist: auf Grund der Untersuchungen vom 1. bis 6. Dezember 1889 und im Frühjahr und Sommer 1890 ; (nebst Protokoll der Zeugen) — Berlin, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.5497#0070
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06

Zum Verständniss des Streites bedarf es eines
kurzen Rückblickes auf die Geschichte der Ausgrab-
ungen zu Hissarlik. Dr. Schliemann begann seine
Thätigkeit an diesem Punkte im Jahre 1871, setzte
die Grabungen während der nächsten zwei Jahre
und alsdann nach längerer Unterbrechung in den
Jahren 1878 und 79 fort. Er zog breite und sehr
tiefe Gräben, liess an dem steilen Abhänge des Hügels
grosse Massen von Schutt- und Trümineranhäufungen
abstechen und fand die Reste mehrerer Ansiedlungeu
über einander gelagert; er stiess auf Mauern von
Bruchsteinen und andere von Lehmziegeln, sowie
auf verkohltes Holz, fand ungeheure Mengen von
Töpferwaaren und schliesslich die bekannten Schätze
an goldenen Gefässen und Schmuck- Da es von
vornherein seine Absicht war, Troja zu suchen und
er dasselbe in einer bedeutenden Tiefe vermuthete,
so hatte er in eifriger Verfolgung dieses Zieles die
Ruinen der oberen Schichten grösstentheils zerstört
und bis auf die dritte, stellenweise auch bis auf die
zweite Ausiedlung und den Urboden hinabgegraben.
Die dritte Ansiedlung hielt er für das eigentliche
Troja, die von den Griechen zerstörte Stadt.

Dr- Schliemann hatte während der ganzen Zeit
nicht bloss die Ausgrabungen allein geleitet, sondern
auch alle Messungen selbst vorgenommen. Erst .im
Jahre 1879, als der Director des französischen In-
stituts zu Athen, Herr Burnouf in Hissarlik erschien,
wurde von diesem ein Plan aufgenommen, sowie eine
Anzahl von Ansichten der Ruinenstätte gezeichnet.
Die Ergebnisse der Ausgrabungen wurden von Dr.
Schliemann in einem - 880 Seiten starken und mit
fast 2000 Abbildungen geschmückten Buche nieder-
gelegt, welches er „IHos" betitelte, und welches 1881
erschien.

Wer immer dieses Buch liest, wird über die
Begeisterung staunen, welche Schliemann antrieb,
so grosse Mittel einem idealen Zwecke zu opfern
und ihm zuliebe ungewöhnliche Entbehrungen zu
tragen zu einer Zeit, da noch die meisten Gelehrten
für sein Streben nur ein überlegenes Lächeln hatten;
der Leser wird erkennen, wie diese Begeisterung
den seltenen Mann antrieb, allein eine Aufgabe zu
unternehmen, welche nur durch Vereinigung ver-
schiedener Kräfte zu lösen, und welcher damals, als

Schliemann hätte den Schutt-
hügel planmässig und horizon-
tal von oben abtragen und alles,
was abgebrochen wurde, photo-
graphirenmüssen Stattdessen
liess er grosse Schuttmassen
senkrecht abstechen und brach
au verschiedenen Stellen breite
und tiefe Einschnitte quer hin-
durch, die alles im Wege be-
findliche (z. Th bis zum Ur-
boden hinab) zerstörten. Dies
zeigt, dass ihm nicht die Oert-
lichkeit, sondern diePundedie
Hauptsache waren. Auf diese
Weise wurde z.B. auch der Bau
aus behauenen Quadern (Ilios
S. 28) zerstört, der inmitten der
Rohheit der „4. Ansiedlung"
die gesammte Ansiedlungs-
theorie unmöglich macht.

M. Burnouf, Ehrendirector
der Ecole franeaise zu Athen,
ein bedeutender Ingenieur, war
von der französischen Regier-
ung nach Hissarlik gesendet
worden. Gleichzeitig kam auf
Schliemann's Einladung Prof.
Virchow, der die Vorrede
zu Ilios und verschiedene Bei-
träge (S. 355 —3(33, Anhang!
u. V) geschrieben hat.
 
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