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Boetticher, Ernst
... Sendschreiben über Troja (Teil 5): Hissarlik, wie es ist: auf Grund der Untersuchungen vom 1. bis 6. Dezember 1889 und im Frühjahr und Sommer 1890 ; (nebst Protokoll der Zeugen) — Berlin, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.5497#0110
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Wissenschaft wohl von „Gräberfeldern mit Leichenbrand", namentlich im Norden,
und unterschied in der asiatischen und in der antiken Welt Nekropolen mit Erd-
bestattnng, Mumien und Aschengräbern, ohne jedoch irgendeine Organisation der
Verbrennung wahrzunehmen, ja, noch heute herrscht die wunderliche Anschauung,
in so geordneten Staatswesen, in so dicht bevölkerten Ländern wie im alten Italien,
Hellas, Asien u. s. w. habe ein jeder seine Todten verbrennen dürfen, wo er Lust
hatte, im Garten, auf einem öffentlichen Platz, auf dem Felde u. s. w. Verstüm-
melte und falsch verstandene Inschriften an Gebäuden, wie z. B. U(st)rina(m?)
applicare non licet, scheinen jene Meinung unterstützt zu haben. Also , dass es
eine Organisation der Todtenverbrennung, dass es (natürlich mit Variationen)
Bauten dafür gegeben hat, das ist meine Entdeckung, mag man von Feuer-Nekro-
polen oder necropoles ä inciueration sprechen oder andere Namen gebrauchen.
Nach meiner Ansicht muss es auch in der antiken Welt solche Bauten gegeben
haben, und ich stütze diese Ansicht auf die Beobachtung, dass sich in Italien und
Griechenland ähnliche Beste nachweisen lassen wie die, aus welchen ich in Hissar-
lik das System erkannt habe. Diese wiederholt schon erörterte Behauptung dürfte
sich eines Tages ebenso bestätigen, wie nunmehr die, dass es am Euphrat und
Tigris ähnliche Feuer-Nekropolen gegeben habe, durch Koldeweys Ausgrabungen
bereits bestätigt wordeu ist.

Herr Koldewey traf um die Jahreswende 1886/87 am Euphrat ein und wandte
seine Aufmerksamkeit den Schutthügeln von Surghul und El Hibbah zwischen
Euphrat und Schatt, sieben Stunden nördlich von Schatra zu. Die Ausgrabungen
währten von Anfang Januar bis in den Mai. Die Ergebnisse sind nur !n
einem Bericht in der schwer zugänglichen Zeitschrift für Assyriologie II, I
(December 1887) mitgetheilt. Wer denselben mit den seit fünf Jahren von mir
veröffentlichten Arbeiten über Feuer-Nekropolen im allgemeinen und über die
von Hissarlik im besondern vergleicht, wird überrascht sein, wie vollständig
das von Herrn Koldewey „aus den Funden erkannte" Bild mit demjenigen über-
einstimmt, welches ich (nach den höhnenden Worten meiner Gegner) „von ' der
Studirstube aus" entworfen hatte. Herr Koldewey erwähnt meine Arbeiten nicht
mit einem Wort, obwohl sie ihm nach späterem Zugeständniss (a. a. O.I1J, 3) bekannt
waren und seine Anschauung offenbar geleitet haben. Seine „auf den Augenschein
gestützte" Darstellung beweist die Richtigkeit meiner Gombinationen. In Babylonien
sind demnach gleichwie'in Hissarlik Terrassen bauten für die Verbrennung der
Todten errichtet worden. Man ebnete ältere Brandstätten, stützte ihre Flanken
durch Mauern, erweiterte den Kaum durch seitliche Anbauten, und errichtete, wenn
der Zustand des lange benutzten Platzes oder eine besondere Veranlassung (feier-
liche Verbrennung vornehmer Todten und dergl.) dazu aufforderte, eine neue Ter-
rasse über der alten , wobei der alte Schutt über die Umfassungsmauern hinabge-
schüttet wurde. Das ist das Bild, woraus in Hissarlik sieben Städte übereinander
gedeutet worden sind. Auf solchen Terrassen zeigt Herr Koldewey uns seine
„Todtenhäuser", das sind die Bäume, welche ich mit besserem Bechte „Verbrennungs-
böfe" nenne. Auch Herr Koldewey zeigt darin die Verbrennung der Todten, und
häufig auch ihre Beisetzung, ganz so, wie ich es im „Ausland", in der Zeitschrift
für Museologie u. s. w. geschildert habe, nur in der Zeichnung des Verbrennungs-
 
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