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Boetticher, Ernst
... Sendschreiben über Troja (Teil 5): Hissarlik, wie es ist: auf Grund der Untersuchungen vom 1. bis 6. Dezember 1889 und im Frühjahr und Sommer 1890 ; (nebst Protokoll der Zeugen) — Berlin, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.5497#0112
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meist ist in Surghul und El Hibbah der Körper in Asche und kleine Knochenreste
verwandelt worden, und dies kann offenbar nicht unter Luftabschluss geschehen
sein. Es ist nicht schwer, den wahren Hergang zu erkennen, zumal Gefässe , wie
Herr Koldewey sie beschreibt, aber nur zur TJeberdeckung der Gebeine im Falle
misslungener Verbrennung verwendet glaubt, schon längst in assyrisch-babylonischen
Nekropolen für Erdbestattung gefunden und in assyriologischen Werken beschrieben
und abgebildet worden sind, nämlich Thonsärge von eigener Art, „shaped like a
dish-cover": Der Leichnam ruht nebst Beigaben auf einer Lehmziegel-Platform oder
einer thönernen Platte (Schüssel) von 2 bis 2,3 m Länge unter einem 2 m ]., Im br.
und 0,60 m h. thönernen Deckel (aus einem Stück), der oben Oeffnungen hat.
Nichts lag näher, als im Falle der Verbrennung solchen Sarg mit dem Leichnam
auf oder in den Scheiterhaufen zu stellen, und, wenn die Verbrennung nicht ge-
lungen, den Deckel wieder über die Gebeine zu stülpen. So entstand, was Herr
Koldewey gefunden hat, und diese (wie ich aus weiteren Gründen glaube) jüngere
Methode unterscheidet sieh von der zu Hissarlik nur dadurch, dass hier an Stelle
des Schüssel-Sarges der ebenfalls poröse und desshaib nie luftdichte Krug (der
Pithos) von ähnlich grossen Dimensionen tritt, der bekanntlich auch in Babylonien 2)
und anderwärts ganz analog wie jene Schüssel Verwendung gefunden hat. Erwäh-
nenswerth ist noch, dass man auch in Surghul und El Hibbah kleine Kinder nicht
verbrannt zu haben scheint (vergl. Juvenal XV, 1396 über die gleiche römische
Sitte), denn der (von Koldewey freilich anders gedeutete) Befund scheint darauf
hinzuweisen, dass der Leichnam des Kindes unverbrannt in die Brandstätte der
Mutter nachträglich hineingelegt worden ist, wie Schliemann derlei Fälle auch in
Hissarlik beschreibt (Ilios S. 259, 365), wo Kinderskelette auf menschlicher Asche
in Urnen lagen. In der Unterscheidung dreierlei Brauches, dass entweder die Ii; ste
des Verbrannten unberührt liegen blieben , oder die Asche desselben auf der
Brandstätte selbst in Urnen beigesetzt wurde, oder endlich die Aschenurnen an
einem dritten Orte ihre liuhestätte fanden, in dieser Unterscheidung giebt Herr
Koldewey wieder ganz dasselbe Bild, welches ich aus dem Befund in Hissarlik
abgeleitet hatte.

Die Erkenntniss, dass es im ganzen Alterthum F e u er-Nek r op o 1 e n und,
wie ich ebenfalls noch unter Widerspruch behaupte, eine eigenartige Nekropolen-
Industrie gegeben hat, deren Erzeugnisse also nicht für den Gebrauch Lebender
eingerichtet waren, muss eine wesentlich veränderte Beurtheilung der Fundstätten
und Funde sowie infolge davon eine grosse Umwälzung in kunst- und culturgeschicht-
liehen Anschauungen hervorrufen.

E. Boetticher.

*) Rawlinson, Ancient Monarchies I, 110—111. Loftus, Travels p. 201.
Taylor, Notes on the ruins of Muqeyer (Journal of the R. Asiatic Soc. XV.
Hommel, Gesch. Babyl. u. Assyr. I, 210.

*) Vgl. Rawlinson, Ancient Monarchies I, 112 (Abbildung u. Beschreibung).
Journal of the Asiatic. Soc. XV, 413. 414. Loftus, Travels p. 201 „Baby-
lonian um." Hommel, Geschichte Babyl. u. Assyr. I, 210.
 
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