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Böttiger, Carl August; Sillig, Julius [Hrsg.]
C. A. Böttiger's kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts (Band 3) — Dresden, Leipzig, 1838

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https://doi.org/10.11588/diglit.5486#0046
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alle Ideale sich offenbarten , ihre Kleider mit gestreiften Mns'tern,
mit eingewirkten Stäbchen, wie sie das Alterthum nannte, zu ta-
deln sieh erfrecht halte *).

Nun, so weit würde es wohl die Rache unserer modernen
Schonen nicht treiben. Auch blieb ja jener uralte Frevel nicht
unbestraft. Denn die thracischen Männer ritzten nun den Frauen
an den unbekleideten Tlieilen ihres Körpers lange Streifen in die
Haut, und diese ninfsten sie, da sie noch besonders eingebrannt
wurden, ihr Leben lang tragen**). Das mag nun glauben, wer
Lust hat. AHein die ganze Erzählung ist doch voll guter Lehren
in der Anwendung und bat mit ihrer Moral wahres Gold im
Munde. Was dem ehrlichen Bürger von Genf, dem des Fra'uen-
verkehrs ziemlich unkundigen Jean Jacques, in Venedig von einer
sonst sehr willfährigen Dame auf dem St. Marcusplatze zugerufen
wurde, als er sich über den sonderbaren Ueberwurf ihrer Vesta
di zendale wunderte: studia Li inateniatiea e lascia le donue! ***)
könnte doch auch heute noch dem griimelnden Altcrlliiiinler in den
Bart geworfen worden.

Ich mag mich also sträuben, so sehr ich will, ich miifs, um
mich nicht grüfsereu Verantwortlichkeiten oder Ungelegcnh'eiteh
auszusetzen, mich schon entschlicfscn, meine nur halb zwischen
den Zähneu bingemiirmelte Behauptung nun doch mit hallbaren
Gründen zu unterstützen. Wohl aber rufe ich mir selbst im Vor-
aus jenes Homerische Wort zu:

Welch ein verwegenes Wort kam über den Zaun dir der Zähne ?

Soll ich aber die von Ihnen, meine gnädige Frau, ange-

*) Eine Thracierin heifst in dem römischen Argonautengedicht des
Valerius Flaccus II. 159. nurus virgata. Dabei hat Peter Bur-
mann sein philologisches Füllhorn aufgethan. Er erinnert sicli
aber nicht, dafs schon der allbelesene Claude Saumaiseiu
seinen Briefen an Sarrea (TSpistoIae Sarrevianac ep, 139.) dieses
Wort für ein netz- oder würfelförmiges Muster im bunten Gewände
erklärt hatte,

**) So hatte ein griechischer Elegieendichter Phanoldes die bei den
Thracierinnen gewöhnliche Sitte des Tättowirens mythisch zu deu-
ten gesucht. Die Elegie hat Stobätis erhalten. Serm. LXI1. p,
400. Aber die Sitte des Tättowirens war bei den Thracierinnen
ein Zeichen des vornehmen Standes. Eine Frau, die nicht so
eingebrannte Streifen tragen durfte, galt für niedrig und unedel.
Diel's sagt schon der Vater der Geschichte, Herodot, ausdrücklich
V. 6, wobei Wesselings Anmerkung (T. VI.p. 7 od. Schweigh.)
zu vergleichen ist. Früher hat schon der gelehrte Wyttenbach
die Sache erläutert zu Plutarch, de sera numiiüs viudicta p. 07,
Confessions de J. J, Kousseau liv. lif, p. 220,
 
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