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Böttiger, Carl August; Sillig, Julius [Hrsg.]
C. A. Böttiger's kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts (Band 3) — Dresden, Leipzig, 1838

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https://doi.org/10.11588/diglit.5486#0418
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verwahrten nun sorgsame Hausvater ihre Fluren, nni altgläubige
Mütterchen ihre Kinder auf mehr als eine Weise. Für das wirk-
samste Mittel unter allen wurde allgemein der Phallus gehalten,
dieses grofse, aus dem Oriente auch zu den Griechen, JElruriern
und Römern übergegangene Symbol der Fruchtbarkeit und des
Gedeihens. Mau hing dieses wirksame Entzauberungsmittel an die
Pforten und Thüipfosten, an Bäume und Rebengeländer auf; man
baud es den Kindern blos oder in einer runden Kapsel (aus wel-
cher dann die bulla der römischen Knaben entstand) um den Hals;
Künstler hefteten es vor ihre Werkstätte und der triumpliirende
Feldherr an seinen Wagen, die Vestufiiiijen verehrten es mit an-
dächtiger Inbrunst im Allerheiligsten ihrer Rotonda *). Die Alles
ausbildende und verschonende: Hand der Kunst gab diesem heiligen
Phallus den Körper eines rüstigen Jünglings zur Gesellschaft, und1 so
entstand daraus der so oft mifs verstandene, aber seiner ursprüng-
lichen Bedeutung nach nichts weniger als obseöne Priapus, der durch
das, was ihn auszeichnet, nicht deu Dieben eigentlich, sondern
den bösen Zungen und Augen wehren sollte **), Eine andere
Verfeinerung der Kunst grub diesen Helfer gegen allen Zauber
(medicum iuvidiae nennt ihn Plinius YH, 2, S, 2.) in Gemmeu

nerprior zu Benevent im 16ten Jahrhunderte, hat in einer eige-
nen Schrift in drei Büchern de Fascino gehandelt, die zu Vene-
dig 1599 herausgekommen ist. Hier ist aller Unsinn gesammelt,
den irrige Philosophie und theologischer Ilexenglaube je darüber
ausgebrütet haben. Am Ende S. 362, empliehlt er als das kräf-
tigste Gegenmittel einen Agnum Dei circa Collum suspensiim.
Diefs trat also in der katholischen Kirche auch lrier an die Stelle
des Priap!

f) Die Belege zu diesem Allen bei'm Plinius XXVIII, 4, s. 7, Vergl,
Pollux VII, 10S. und Casaubonus in Lection, Tlieocrit. c, VIII,
p. 75. edit. Commelin.

'*) S. Plinius XIX, 4. s. 19. Aus mehreren Stellen, z, B, bei'm Martial
III, 68., wird es deutlich, dafs der Phallus auch zur Verwahrung der
Gärten gebraucht wurde. Gewifs ist es, was auch neuerlich Bar-
tels in seinen Briefen über Calabrien und Sicilien Tbl, I. S. 135 f.
wieder erinnert bat, dafs die Alten bei der Gewöhnung an das
Nackende und der religiösen Ideenverbindung, die man dabei hat-
te, kein so schlüpfriges Bild daran erblickten, als wir uns vorstel-
len. So war es lächerlich, dafs man in dem wiederaufgegrabenen
Pompeji ein Haus, vor welchem ein Priap als Kntzauberungsiliit-
tel angebracht war, für ein Bordell erklären wollte. S. Hamilton,
Account of tho Discoveries at Pompeji, in der Archaeologia Bri-
tann. T. IV, 14. p. 169. So ist der Phallus auf der Vase im
Palast Chigi ein Moses Amulet. S. Monatschrift der Berliner Aka-
demie der Künste. 1788. August, p. 90.
 
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