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Boll, Franz
Sphaera: neue griechische Texte und Untersuchungen zur Geschichte der Sternbilder — Leipzig, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.19748#0479
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Diese Ansicht hat man in neuerer Zeit, so viel ich sehe, durchweg
aufgegeben; nur Bechert behauptete früher, und gab zuletzt1) wenigstens
noch die Möglichkeit zu, dals Scaliger Recht habe. Was man für
die gangbare Meinung bisher angeführt hat, ist nicht geeignet, Scaligers
Aufstellung wirksam zu bekämpfen. Gleichwohl hat hier die Vulgata
gegen Scaliger Recht. Ich beginne den Beweis mit der Prüfung der
astrologischen Deutungen der Untergänge. Schon äufserlich fällt
ins Auge, dafs Firmicus die Untergänge meist ungleich kürzer be-
handelt hat als die Aufa-äng-e. Weiter zeig;t sich hier eine stärkere
Verwendung der Planeten als bei den Aufgängen. Besonders auf-
fällig aber ist die Einförmigkeit der Deutungen. Das einfache
Rezept, das oben auch bei Pancharios nachgewiesen wurde, hat
Firmicus selbst am Anfang, beim Widder, mitgeteilt: Quia itaque
diximus, cpiid in ortu hae stellae faciant, sequenti loco dicendum
est, quid in occasu constitutae decernant. sicut enim contrariae sunt
lumini tenebrae, sie vitae mors, vita igitur erit in ortu, mors
reperietur in occasu. Alle diese Untergänge bedeuten somit die
Art des Todes. Bei Firmicus stirbt Niemand im Bett: Schiffbruch,
Wagenunglück, tolle Hunde, Pöbelaufruhr, religiöser Fanatismus,
Schlangenbifs, Absturz aus der Höhe, Feuer und Wasser wüten
gegen das Menschengeschlecht, Hunde und Vögel zerreifsen den Leich-
nam, und wenn die Sterne nicht besonders günstig sind, so ist selbst
der Tod, der sich dem Schlafenden naht, von grausamer Art. Eine
wahre Henkersphantasie scheint diese Prophezeiungen geschaffen zu
haben. Dazu kommt nun weiter die häufio-e Verwenduno- des riäm-
liehen Motivs: Auriga, Kentaur und Pegasos bedeuten Sturz vom
Wagen, Anguis und Anguitenens Schlangengift, und gar gleich
vier Bilder, Hase, Argion (= Prokyon), Canicula, Septentrio Bifs
wilder Tiere. Wollte man sich das als den Inhalt des sechsten Ge-
sanges des Manilius vorstellen, so würde man den phantasievollen
Dichter des fünften gar nicht wiedererkennen. Kaum ein einziges-
mal, beim Haedus unter dem Zeichen der Wage, findet sich ein
Anlauf zur Schilderung einer einigermafsen individuellen Situation.
Vollends unmöglich aber wird die Autorschaft des Manilius dadurch,
dafs diese Deutung auf den Tod mit wenig Ausnahmen (Haedus beim
Widder, Ziege, Ungulae fissio, Jugulae, Krone, Kepheus, Adler) nichts
Anderes ist als eine blofse Umkehruno- ein Geo-enbild o-eo-en die Deu-
tung des Aufganges, die Manilius im 5. Buch gegeben hatte. Sind

1) Class. Rev. 1900, p. 301.
 
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