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Boll, Franz
Sphaera: neue griechische Texte und Untersuchungen zur Geschichte der Sternbilder — Leipzig, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.19748#0530
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XY. Mittelalterliche Astronomie und neuere Forschung

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leerentlich kritik- und sorglos aus der lateinischen Übersetzung des
Abu Macsar, aber auch aus Scaliger und Grotius. Bayers wildes Zu-
sammenraffen aller möglichen Namen, darunter einer Menge solcher;,
die niemals Sternbildern gegolten haben, hat schon Ideler, Sternnamen
S. LXXI gekennzeichnet. Wem des Grrotius Notae ad imagines und
Scaligers Manilius bekannt sind, der kann so ziemlich die ganze Masse
von Bayers falschen Sternbildnamen sehr einfach auf ihre Quellen
zurückführen. Yon den Namen, die scheinbar aus der Sphaera bar-
barica stammen, sind lediglich durch Mifsverständnis aus Grotius
(p. 54) geholt die Bezeichnungen Möc und Deferens psalterium statt
Lyra; aus Scaligers türkischer Planisphäre (p. 484 der Ausg. yon 1600)
stammen die Bezeichnungen des Serpentarius als Grus und Ciconia.
Besonders komisch sind die angeblichen Bezeichnungen der Kassiopeia
bei Bayer. Sie soll bei den Hebräern Aben Ezra geheifsen haben:
diesen Nonsens und den gleichwertigen, dafs Juvenal sie Cathedra
mollis nenne, hat schon Ideler S. 81 aus Scaliger a. a. 0. S. 477 er-
klärt. Ebendaher aber stammen auch die Namen canis und cerva.
Der letztere frappierte mich zunächst wegen der eXaqpoc unserer Texte;
woher freilich sollte Bayer gewufst haben, dafs diese eXacpoc mit der
Kassiopeia identisch sein soll? Scaliger p. 477 giebt die für Bayers
unglaubliche Gedankenlosigkeit bezeichnende Lösung: Arabes . . non
mulierem, sed canem cernuam in sedili pingunt-, daraus dann canis
vel cerva bei Bayer! Über das terebellum und das vexillum, die
Bayer zum Schützen nennt, wurde kurz vorher gesprochen (S. 448).
Aus der lateinischen Übersetzung des Abu Macsar stammen auch die
Bezeichnungen des Draco als Coluber arborem conscendens (vgl. oben
S. 103,5), der Yirgo als c Seclenidos de Darzama' (s. Beilage 6). Bootes
soll bei cAvenezra' canis latrans heifsen; dies stammt wieder aus
Scaligers Manilius (p. 430 der Ausg. von 1655-, in der von 1600 fehlt
die Stelle). Nur auf die Quelle von Kepheus = Nereus, dXiöc yepuuv,
Senex aequoreus (vgl. oben S. 277) bin ich noch nicht gestofsen; ich
möchte wetten, dafs es sich um eine von Bayer flüchtig gelesene An-
merkung von Scaliger oder Grotius handelt, in der zufällig Kepheus
in der Nähe von Nereus genannt war.

Nur Einer hätte im XVII. Jahrhundert Neues und Wertvolles zu
dem Gegenstand mitteilen können, wenn nicht seine bedauerliche Un-
zuverlässigkeit ihn und uns auch hier um die Frucht seiner Studien
gebracht hätte. Das ist der vielberufene Jesuit Athanasius Kircher
(1602—1680). Er bringt im 2. Bande seines monströsen Werkes c0edipus
Aegyptiacus', das 1653 in Rom erschien, einen grofsen Abschnitt von

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