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Boll, Franz
Sphaera: neue griechische Texte und Untersuchungen zur Geschichte der Sternbilder — Leipzig, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.19748#0536
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XV. Mittelalterliche Astronomie und neuere Forschung.

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wieder durch ein plumpes Mifsverständnis gewonnen hatte, in aller
Ruhe übernommen ist); aber er hat auch in seiner Mythologie die
rechte Verwendung dafür (bei La Lande IV 486; vgl. auch Memoire
expl. du zod. p. 8). Da er die zwölf Thaten des Herakles auf die
zwölf Zeichen des Tierkreises zurückführt, so trifft auf den Skorpion
die Einholung der kerynitischen Hirschkuh. Ein Hirsch ist nun frei-
lich auf der griechischen Sphäre nicht zu finden (erst später entdeckte
Dupuis den Hirsch im 8. Buch des Firmicus): aber wenn die Sonne
im Skorpion steht, so geht nach Hygin die Kassiopeia in der Morgen-
frühe unter, und nach Caesius p. 116 setzen ja die interpretes Arabes
in die Konstellation, die wir KassiojDeia nennen, eine Hindin!1)

Im III. Bande der Origines de tous les cultes hat Dupuis die
Hauptquellen zur Geschichte der Sternbilder abdrucken lassen: die
XuvavaioXou des Arat, des Ps.-Eratosthenes (Maafs, Comment. in Arat.
rell. p. 114sqq.), des Hipparch, alles in lateinischer Übersetzung; des
Manilius, Martianus Capeila, Firmicus. Dann folgen die mittelalter-
lichen Quellen, fast ganz aus Scaliger entlehnt: aufsei* ein paar Kleinig-
keiten aus dem Werk des Österreichers Leopold (s. oben S. 435) die
drei Sphären des Ibn Esra (oben S. 419 ff.) und die Monomoeriae, die
Scaliger aus Petrus von Abano übernommen hatte (oben S. 434 ff.). Es
wäre ganz ungerecht, Dupuis aus dem Wiederabdruck dieser Listen
einen Vorwurf machen zu wollen; Einzelheiten, die notwendig auf guter
Tradition beruhten, konnten dem aufmerksamen Blick nicht entgehen,
und Dupuis ist sogar zu einer nahezu richtigen Auffassung des Be-
griffes der TrapavaTeXXovxa aus diesen Listen gelangt.2) Aber die Art,

1) Um gegen Dupuis nicht ungerecht zu sein, mul's man hinzusetzen, dafs
sein neuester Nachfolger sich mit der kritischen Prüfung des Materials eben-
sowenig aufhält wie er. Ein Beispiel habe ich oben S. 432,1 gegeben. Auf der
gleichen Höhe steht der Mifsbrauch, den Winckler (Himmels- und Weltenbild
der Babylonier S. 45) mit den c älteren (!) Karten' treibt, die statt des Bären
einen Eber zeigen sollen, oder mit dem deutschen Trivialnamen Jakobsstab statt
Gürtel des Orion. Mit ganz dem gleichen Recht, mit dem er den germanischen
Tormythus mittelst jenes Ebers cälterer' Karten als Adonismythus erkennt, liefse
sich Johannes der Täufer als eine mythische Spiegelung des Wassermannes oder
die Argo als eine Versternung der Arche Noah nachweisen, weil es Harsdörffer
einmal eingefallen ist, den Himmel zu christianisieren. Die entscheidende Frage,
wann und von wem solche Namen zuerst gegeben wurden, hat für Winckler an-
scheinend leider kein Interesse. Wincklers prinzipiell richtige Würdigung der
Astrologie, die ihrem Ursprung nach in der That nicht ein Aberglaube, sondern
der Ausdruck oder Niederschlag einer Religion und Weltanschauung von impo-
santer Einheitlichkeit ist, kann die Folgen einer solchen Quellenbenützung nicht
wettmachen.

2) Memoire expl. du zodiaque p. 10: Cette denomination fut donnee autant
 
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