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Boll, Franz
Sphaera: neue griechische Texte und Untersuchungen zur Geschichte der Sternbilder — Leipzig, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.19748#0535

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456

III. Teil. Geschichte der Sphaera barbarica.

genossen, dem Pariser Advokaten und Professor der Rhetorik, Charles-
Francois Dupuis: demselben, den Friedrich der Grofse auf Condorcets
Empfehlung als Grammatiker in seine Akademie zu berufen ge-
dachte.1) Er hat zum ersten Mal den Versuch gemacht, die gesamten
Mythen aller Zeiten und Völker aus dem Sternhimmel zu erklären.
Dupuis' mythologisches System hat gegenwärtig einen neuen Vertreter
gefunden, der ihm an wagemutiger Kombinationslust nichts nachgiebt,
soweit er ihn auch an sprachlicher und historischer Bildung überragt.
Da dieser neueste Erbe von Dupuis' Gedanken dem Ahnherrn die ge-
hörige Ehre erweist und in populären und wissenschaftlichen Schriften
auf ihn wieder aufmerksam macht2), so ist es gerade zur Zeit nicht
überflüssig, Dupuis' Arbeitsmethode etwas näher zu beleuchten. Für
die Kenntnis der Sternbildnamen waren seine Hauptquellen in allen
seinen Arbeiten (cMemoire sur l'origine des constellations, et sur
Fexplication de la fable, par le moyen de 1'astronomie^ erschienen
Paris 1781 in La Lande's c Astronomie', tom. IV p. 349—576; cOrigine
de tous les cultes, ou Religion universelle', in drei Quartbänden und
einem Tafelband, Dupuis' Hauptwerk, Paris an III de la Republique
(1794); endlich cMemoire explicatif du zodiaque, chronologique et
mythologique', Paris 1806) nichts Anderes als die oben gekennzeichneten
kritiklosen Kompilationen von Bayer und Philipp von Zesen (Cae-
sius). All den lächerlichen Unsinn, den Bayer durch lüderliche Be-
nützung von Scalio'er und Grotius ans Licht o-ebracht hatte, ver-
mehrt durch Philipp von Zesens Lesefrüchte, giebt Dupuis in aller
Unbefangenheit weiter. Ich könnte für diese Behauptung Dutzende
von Belegen bringen; aber es wäre unnötige Mühe, denn wer Bayer,
cCaesius' und Dupuis (besonders Origine des cultes III 2 unter dem
Sondertitel: Tableau . . des signes du zodiaque et des autres con-
stellations) nebeneinanderlegt, wird nicht widersprechen. So mag zur
Veranschaulichung ein einziges amüsantes Beispiel genügen. Wie oben
(S. 451) gezeigt wurde, hat Bayer ein canem cernnam bei Scaliger in
der Übereilung als canem (ef) cervam gelesen und deshalb erklärt,
bei den Arabern werde die Kassiopeia als canis vel cerva verstanden.
Dupuis wiederholt das, gleich Philipp von Zesen, in seinem Haupt-
werk (III 2, 84, wo auch die angeblich von Juvenal gebrauchte Be-
zeichnung f Cathedra mollis' statt Kassiopeia, die Bayer aus Grotius

1) Harnack, Gesch. cl. K. Preufs. Akad. d. Wiss. I 390.

2) H. Winckler, Gesch. Israels (1900) II 276,1; Himmels- und Weltenbild
der Babylofder als Grundlage der Weltanschauung und Mythologie aller Völker
(1901) S. 62. Ygl. auch Preufs. Jahrbb. 104 (1901) S. 252.
 
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