während das poetische Kleid, in dem sie erscheint, vielfach die Farbe der
Zeiten und Völker getragen und gewechselt hat, so dass auch wieder
unter diesen manigfaltigen Formen doch diejenige wol die echteste ist, die
das Allgemeingültige des Stoffes ebenso in dem Gewände ausdrücken will,
die einfachste, schmuckloseste also, so wie auch eben darum das Erfinden
neuer Fabeln fast unmöglich ist, weil die Jahrtausende, welche die Fabel
ausgebildet haben, wol nur eine kleine Nachlese übrig liessen. In allem
diesem ist die Fabel mit dem Sprichwort so verwandt, dass man sie nur
eine poetische Verkörperung desselben nennen möchte, und bekanntlich
sind die Nutzanwendungen der einfachsten Fabeln von jeher nichts als
einfache Sprichwörter gewesen. — Boner’s Fabeln zeigen die Verbindung
und Wechselbeziehung des Sprichworts und der Fabel vielleicht deutlicher,
als irgend andere Fabeln zwischen den altklassischen und Lessing, und mit
Recht hat man sie darum mit zu den vorzüglichsten gezählt. Sie zeigen
auch zugleich das Charakteristische des deutsehen Sprichworts, wie wir es
beim Freidank finden, den Boner vielfach benutzt: es ist nicht ein einzi-
ges, nicht eine einzelne Nutzanwendung, die er macht, sondern immer
eine Reihe von Sprüchen, die häufig nicht die Hauptwahrheit der Erzäh-
lung allein ins Licht stellen, sondern mehrere oder so viele sie an die
Hand gibt, die eben deshalb auch häusig nicht an das Ende zusammen
gestellt sind, sondern ungeduldig die Geschichte unterbrechen und als
Nutzanwendungen auf einzelne Züge und Handlungen in der Erzählung
erscheinen. Auch ist das Verschwimmen des Sprichworts und der Fabel
an einigen Beispielen im Boner sehr anschaulich zu machen.«
Wesen und Begriff der Fabel lassen sich nicht trefsender bezeichnen,
als Gervinus in dieser meisterhaften Schilderung unsers Boner gethan hat.
Und so möge denn der Edelstein in seiner neuen Fassung abermals sein
Glück versuchen und zu seinen alten Freunden recht viele neue sich
erwerben.
Stuttgart am 27. Hornung 1844.
Franz Pfeifser.
Zeiten und Völker getragen und gewechselt hat, so dass auch wieder
unter diesen manigfaltigen Formen doch diejenige wol die echteste ist, die
das Allgemeingültige des Stoffes ebenso in dem Gewände ausdrücken will,
die einfachste, schmuckloseste also, so wie auch eben darum das Erfinden
neuer Fabeln fast unmöglich ist, weil die Jahrtausende, welche die Fabel
ausgebildet haben, wol nur eine kleine Nachlese übrig liessen. In allem
diesem ist die Fabel mit dem Sprichwort so verwandt, dass man sie nur
eine poetische Verkörperung desselben nennen möchte, und bekanntlich
sind die Nutzanwendungen der einfachsten Fabeln von jeher nichts als
einfache Sprichwörter gewesen. — Boner’s Fabeln zeigen die Verbindung
und Wechselbeziehung des Sprichworts und der Fabel vielleicht deutlicher,
als irgend andere Fabeln zwischen den altklassischen und Lessing, und mit
Recht hat man sie darum mit zu den vorzüglichsten gezählt. Sie zeigen
auch zugleich das Charakteristische des deutsehen Sprichworts, wie wir es
beim Freidank finden, den Boner vielfach benutzt: es ist nicht ein einzi-
ges, nicht eine einzelne Nutzanwendung, die er macht, sondern immer
eine Reihe von Sprüchen, die häufig nicht die Hauptwahrheit der Erzäh-
lung allein ins Licht stellen, sondern mehrere oder so viele sie an die
Hand gibt, die eben deshalb auch häusig nicht an das Ende zusammen
gestellt sind, sondern ungeduldig die Geschichte unterbrechen und als
Nutzanwendungen auf einzelne Züge und Handlungen in der Erzählung
erscheinen. Auch ist das Verschwimmen des Sprichworts und der Fabel
an einigen Beispielen im Boner sehr anschaulich zu machen.«
Wesen und Begriff der Fabel lassen sich nicht trefsender bezeichnen,
als Gervinus in dieser meisterhaften Schilderung unsers Boner gethan hat.
Und so möge denn der Edelstein in seiner neuen Fassung abermals sein
Glück versuchen und zu seinen alten Freunden recht viele neue sich
erwerben.
Stuttgart am 27. Hornung 1844.
Franz Pfeifser.