Liebfrauenkirche zu Trier entdeckte, und erwähnt dazu: „Man erkennt auch noch eine
ganze Reihe konstruktiver Hilfslinien, die wahrscheinlich mit der Reißnadel geritzt wur-
den.191 Doch leider fehlen in all diesen Fällen entweder die Abbildungen, oder - falls sie
vorhanden sind - die Wiedergabe der so wichtigen geometrischen Vorzeichnungen, welche
sich als Blindrisse der photographischen Aufnahme entziehen.
Kleinere, auf einzelne Bauteile beschränkte Beispiele sind weniger selten. Man denke an
die Verwendung des Quadrates als Hilfsmittel bei der Festlegung eines Kreuzganges bei
Villard, der ja auch einen über dem Fünfeck entwickelten Turmgrundriß wenigstens im
Schema bringt.192 Weiterhin darf auf die Arbeiten von Überwasser hingewiesen werden,
welche die auf dem Quadrat aufgebauten Systeme der Türme von Laon und Freiburg be-
handeln.193 Ganz allgemein seien schließlich neben andern auch die Werke Dürers, be-
sonders seine Befestigungslehre, sowie die Abhandlung Filaretes über die Baukunst er-
wähnt.
Damit verlassen wir das Gebiet der Grundrißkonstruktionen und gehen zur Betrach-
tung der Querschnittsysteme über. Als Quellen dienen wiederum die bereits bekannten
Musterbücher.
Zu Beginn einige Ausführungen über die Bemessung des Chores. Grundmaß ist auch
hier die lichte Weite, denn Lacher bemerkt: Es gibt dreierlei Chorhöhen. Einmal soll der
Chor anderthalb mal so hoch sein, als er im Lichten weit ist; oder aber er soll zweimal so
hoch und schließlich kann er auch dreimal so hoch sein (fol. 54 v). In der Regel gibt Lacher
allerdings den Verhältnissen 1 : 1,5 und 1 :2 den Vorzug. Gerade das zweite der beiden
Maße zeichnet er besonders aus mit den Worten: „... Aber eine werkliche Höhe soll zwei-
mal so hoch sein als der Chor weit ist...“ (fol. 43 v; fol. 55) Den gleichen Ausdruck finden
wir in der Schrift „Von des Chores Mass“ wieder und zwar auch unter der Proportion 1 : 2.
Ein „werksgerechter“ oder „wohlgestalter“ Chor muß also nach beiden Traktaten dieses
Verhältnis von Weite zu Höhe besitzen.194
Das Langhaus richtet sich bei Lacher in seiner Höhe nach dem Chor (fol. 55 v), wäh-
rend „Von des Chores Mass“ zwei Chorlichtweiten vorschreibt.195 Vergleicht man die bei-
den Schriften, so findet man bei Lacher eine variable und zugleich relative Langhaushöhe,
da ja der Chor selbst dreierlei Höhen besitzen kann; dagegen stellt „Von des Chores
Mass“ die absolute Norm von 1 :2 fest, gemessen vom Schrägsims (Sockelgesims) bis Ober-
kante Dachsims. Dieses Maß von 1:2 also die „werkliche Höhe“ finden wir auch in den
Bauakten von S.Petronio wieder; denn der Baumeister Terribilia verteidigt die von ihm
geplante Mittelschiffshöhe wie folgt: „.. .L’altezza di questa volta & di cento cinque piedi
e meggio; et questa e altezza grande, perche proportionandola, come si usa, con lar-
ghezza della nave maggiore fra pilastro e pilastro, ella vien alta per due larghezze et la
terza parte di piu in circa... Et simile altezza sono state usate ordinariamente nelle fa-
briche Corinthie et nelle Thedesche, et si usano tutto il giorno nelle moderne...“196 Die
Gültigkeit der Behauptung Terribilias wird, wie schon früher erwähnt, durch zahlreiche
alte Baurisse, welche die gleiche Höhe vorsahen, und durch die zu seinen Gunsten gefal-
lene Entscheidung des Gutachters Martino Longo nachdrücklich bewiesen. Darüberhinaus
ist es interessant, daß die Norm der deutschen Musterbücher der Regel des italienischen
Baumeisters fast genau entspricht, obwohl zwischen allen eine mehr oder weniger große
räumliche und auch zeitliche Trennung liegt. (Abb. 7.)
57
ganze Reihe konstruktiver Hilfslinien, die wahrscheinlich mit der Reißnadel geritzt wur-
den.191 Doch leider fehlen in all diesen Fällen entweder die Abbildungen, oder - falls sie
vorhanden sind - die Wiedergabe der so wichtigen geometrischen Vorzeichnungen, welche
sich als Blindrisse der photographischen Aufnahme entziehen.
Kleinere, auf einzelne Bauteile beschränkte Beispiele sind weniger selten. Man denke an
die Verwendung des Quadrates als Hilfsmittel bei der Festlegung eines Kreuzganges bei
Villard, der ja auch einen über dem Fünfeck entwickelten Turmgrundriß wenigstens im
Schema bringt.192 Weiterhin darf auf die Arbeiten von Überwasser hingewiesen werden,
welche die auf dem Quadrat aufgebauten Systeme der Türme von Laon und Freiburg be-
handeln.193 Ganz allgemein seien schließlich neben andern auch die Werke Dürers, be-
sonders seine Befestigungslehre, sowie die Abhandlung Filaretes über die Baukunst er-
wähnt.
Damit verlassen wir das Gebiet der Grundrißkonstruktionen und gehen zur Betrach-
tung der Querschnittsysteme über. Als Quellen dienen wiederum die bereits bekannten
Musterbücher.
Zu Beginn einige Ausführungen über die Bemessung des Chores. Grundmaß ist auch
hier die lichte Weite, denn Lacher bemerkt: Es gibt dreierlei Chorhöhen. Einmal soll der
Chor anderthalb mal so hoch sein, als er im Lichten weit ist; oder aber er soll zweimal so
hoch und schließlich kann er auch dreimal so hoch sein (fol. 54 v). In der Regel gibt Lacher
allerdings den Verhältnissen 1 : 1,5 und 1 :2 den Vorzug. Gerade das zweite der beiden
Maße zeichnet er besonders aus mit den Worten: „... Aber eine werkliche Höhe soll zwei-
mal so hoch sein als der Chor weit ist...“ (fol. 43 v; fol. 55) Den gleichen Ausdruck finden
wir in der Schrift „Von des Chores Mass“ wieder und zwar auch unter der Proportion 1 : 2.
Ein „werksgerechter“ oder „wohlgestalter“ Chor muß also nach beiden Traktaten dieses
Verhältnis von Weite zu Höhe besitzen.194
Das Langhaus richtet sich bei Lacher in seiner Höhe nach dem Chor (fol. 55 v), wäh-
rend „Von des Chores Mass“ zwei Chorlichtweiten vorschreibt.195 Vergleicht man die bei-
den Schriften, so findet man bei Lacher eine variable und zugleich relative Langhaushöhe,
da ja der Chor selbst dreierlei Höhen besitzen kann; dagegen stellt „Von des Chores
Mass“ die absolute Norm von 1 :2 fest, gemessen vom Schrägsims (Sockelgesims) bis Ober-
kante Dachsims. Dieses Maß von 1:2 also die „werkliche Höhe“ finden wir auch in den
Bauakten von S.Petronio wieder; denn der Baumeister Terribilia verteidigt die von ihm
geplante Mittelschiffshöhe wie folgt: „.. .L’altezza di questa volta & di cento cinque piedi
e meggio; et questa e altezza grande, perche proportionandola, come si usa, con lar-
ghezza della nave maggiore fra pilastro e pilastro, ella vien alta per due larghezze et la
terza parte di piu in circa... Et simile altezza sono state usate ordinariamente nelle fa-
briche Corinthie et nelle Thedesche, et si usano tutto il giorno nelle moderne...“196 Die
Gültigkeit der Behauptung Terribilias wird, wie schon früher erwähnt, durch zahlreiche
alte Baurisse, welche die gleiche Höhe vorsahen, und durch die zu seinen Gunsten gefal-
lene Entscheidung des Gutachters Martino Longo nachdrücklich bewiesen. Darüberhinaus
ist es interessant, daß die Norm der deutschen Musterbücher der Regel des italienischen
Baumeisters fast genau entspricht, obwohl zwischen allen eine mehr oder weniger große
räumliche und auch zeitliche Trennung liegt. (Abb. 7.)
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