Bauplatze. (Man denke sich im Gegensatz dazu ähnliche Darstellungen der Barockzeit.)
Der Bericht über den Bau einer Burg bei St. Omer um das Jahr 1200 enthält folgende
Sätze: „.. . doctus geometricalis operis magister Symon fossarius cum virga sua magistrali
more procedens et hic et illic jam in mente conceptum rei opus non tarn in virga quam
in oculorum pertica geometricans .. ,“225 Man sucht auch hier wieder vergeblich nach der
Ervzähnung des Bauplanes, „opus in mente conceptum“. Gerade dieser Bericht verdient
Beachtung, da in seinen weiteren Ausführungen Organisation und Durchführung der
Bauarbeiten anschaulich und sehr fachmännisch geschildert werden.
In Anbetracht des Inhalts der Textstellen kann kein Zweifel darüber bestehen, daß
den Bauplänen keineswegs eine so große Bedeutung zukam wie etwa heute. Die alten
Meister verfügten über die erstaunliche Fähigkeit, auch umfangreiche Bauten im Geist zu
konzipieren, also ohne Vermittlung eines Entwurfes unmittelbar am Platze zu entwickeln.
Daß dies natürlich große Übung und Erfahrung sowie beträchtliches räumliches Vor-
stellungsvermögen notwendig machte, ergibt sich von selbst. Umgekehrt waren Pläne
zwar nicht überflüssig, doch immerhin von sekundärer Bedeutung, was sich mittelbar
wieder auf die reine Zahl solcher Baurisse auswirken mußte. Sie waren zweifellos auch
im Verhältnis gesehen seltener als heute; ein Grund mehr für die Tatsache, daß sich bisher
nicht mehr Exemplare auffinden ließen.
Es wurde bereits zum Ausdruck gebracht, inwieweit die ältesten bekannten Pläne aus
Reims und Straßburg eine gewisse Begrenzung im zeitlichen Sinne darstellen. Wir haben
gesehen, daß vor ihnen außer dem St. Gallener Plan keine anderen bestehen. Nach ihnen
jedoch vergrößert sich die Zahl mehr und mehr. Bereits aus dem 14.Jahrhundert kennen
wir eine ansehnliche Menge gotischer Baurisse, was natürlich für die folgenden Jahrhun-
derte erst recht gilt. Es würde in diesem Zusammenhang zu weit führen, sie alle aufzählen
zu wollen, doch wäre ein Versuch, sie zu registrieren und nach bestimmten Gesichtspunk-
ten zu ordnen, sicher der Mühe wert. Da dies des Umfanges wegen hier nicht geschehen
kann, sollen wenigstens die hauptsächlichsten Eigenarten gotischer Baurisse herausgestellt
werden:
Zunächst einiges über den Zeichengrund, also die Folie alter Pläne. Im allgemeinen
findet man die Verwendung von Pergament oder Papier, wobei das Pergament rein zeit-
lich betrachtet den Vorrang genießt; denn bis in das 15.Jahrhundert hinein bleiben die
Papierpläne an Zahl zurück, nehmen aber von da an sowohl anteilmäßig als auch in
ihrer absoluten Zahl immer mehr zu und erhalten schließlich ein klares Übergewicht. Es
erscheint auf den ersten Blick merkwürdig, daß das kostbare Pergament so lange seine
Bedeutung bewahren konnte. Dazu mag seine Reißfestigkeit und Widerstandskraft gegen
Wasser beigetragen haben. Zudem war das Papier nach Aussagen von Quellen im Hoch-
mittelalter zunächst noch gewissen Fehlern unterworfen. So verbietet der deutsche Kaiser
Friedrich II. (1215-1250) seinen Gebrauch mit der Begründung: „.. . quoniam incipiebat
vetustate consumi. . .“226 Zudem waren die Kosten hoch. Der angesichts des durchschnitt-
lichen Bildungsniveaus auf ein Minimum beschränkte Bedarf trug wohl die Schuld, daß
der Preis des Papiers noch zu Beginn des 15.Jahrhunderts nicht hinter dem des Pergaments
zurückstand. Die geringe Nachfrage mußte die Herstellungskosten zwangsläufig auf einen
im Verhältnis zur produzierten Menge hohen Wert treiben, falls sich die Errichtung und
Unterhaltung einer Papiermühle lohnen sollte. Nur so läßt sich verstehen, warum zum
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Der Bericht über den Bau einer Burg bei St. Omer um das Jahr 1200 enthält folgende
Sätze: „.. . doctus geometricalis operis magister Symon fossarius cum virga sua magistrali
more procedens et hic et illic jam in mente conceptum rei opus non tarn in virga quam
in oculorum pertica geometricans .. ,“225 Man sucht auch hier wieder vergeblich nach der
Ervzähnung des Bauplanes, „opus in mente conceptum“. Gerade dieser Bericht verdient
Beachtung, da in seinen weiteren Ausführungen Organisation und Durchführung der
Bauarbeiten anschaulich und sehr fachmännisch geschildert werden.
In Anbetracht des Inhalts der Textstellen kann kein Zweifel darüber bestehen, daß
den Bauplänen keineswegs eine so große Bedeutung zukam wie etwa heute. Die alten
Meister verfügten über die erstaunliche Fähigkeit, auch umfangreiche Bauten im Geist zu
konzipieren, also ohne Vermittlung eines Entwurfes unmittelbar am Platze zu entwickeln.
Daß dies natürlich große Übung und Erfahrung sowie beträchtliches räumliches Vor-
stellungsvermögen notwendig machte, ergibt sich von selbst. Umgekehrt waren Pläne
zwar nicht überflüssig, doch immerhin von sekundärer Bedeutung, was sich mittelbar
wieder auf die reine Zahl solcher Baurisse auswirken mußte. Sie waren zweifellos auch
im Verhältnis gesehen seltener als heute; ein Grund mehr für die Tatsache, daß sich bisher
nicht mehr Exemplare auffinden ließen.
Es wurde bereits zum Ausdruck gebracht, inwieweit die ältesten bekannten Pläne aus
Reims und Straßburg eine gewisse Begrenzung im zeitlichen Sinne darstellen. Wir haben
gesehen, daß vor ihnen außer dem St. Gallener Plan keine anderen bestehen. Nach ihnen
jedoch vergrößert sich die Zahl mehr und mehr. Bereits aus dem 14.Jahrhundert kennen
wir eine ansehnliche Menge gotischer Baurisse, was natürlich für die folgenden Jahrhun-
derte erst recht gilt. Es würde in diesem Zusammenhang zu weit führen, sie alle aufzählen
zu wollen, doch wäre ein Versuch, sie zu registrieren und nach bestimmten Gesichtspunk-
ten zu ordnen, sicher der Mühe wert. Da dies des Umfanges wegen hier nicht geschehen
kann, sollen wenigstens die hauptsächlichsten Eigenarten gotischer Baurisse herausgestellt
werden:
Zunächst einiges über den Zeichengrund, also die Folie alter Pläne. Im allgemeinen
findet man die Verwendung von Pergament oder Papier, wobei das Pergament rein zeit-
lich betrachtet den Vorrang genießt; denn bis in das 15.Jahrhundert hinein bleiben die
Papierpläne an Zahl zurück, nehmen aber von da an sowohl anteilmäßig als auch in
ihrer absoluten Zahl immer mehr zu und erhalten schließlich ein klares Übergewicht. Es
erscheint auf den ersten Blick merkwürdig, daß das kostbare Pergament so lange seine
Bedeutung bewahren konnte. Dazu mag seine Reißfestigkeit und Widerstandskraft gegen
Wasser beigetragen haben. Zudem war das Papier nach Aussagen von Quellen im Hoch-
mittelalter zunächst noch gewissen Fehlern unterworfen. So verbietet der deutsche Kaiser
Friedrich II. (1215-1250) seinen Gebrauch mit der Begründung: „.. . quoniam incipiebat
vetustate consumi. . .“226 Zudem waren die Kosten hoch. Der angesichts des durchschnitt-
lichen Bildungsniveaus auf ein Minimum beschränkte Bedarf trug wohl die Schuld, daß
der Preis des Papiers noch zu Beginn des 15.Jahrhunderts nicht hinter dem des Pergaments
zurückstand. Die geringe Nachfrage mußte die Herstellungskosten zwangsläufig auf einen
im Verhältnis zur produzierten Menge hohen Wert treiben, falls sich die Errichtung und
Unterhaltung einer Papiermühle lohnen sollte. Nur so läßt sich verstehen, warum zum
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