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durchsetzten Boden zusammen, so daß das Wasser „über sich gehn“, also steigen muß,
ehe es sich wieder in die Umgebung der Baugrube verteilen kann.
Selbstverständliche Vorbedingung für die Haltbarkeit einer solchen Pfahlgründung
war stetige Lage im Wasser. Sollte der Grundwasserspiegel absinken, so war die Gefahr
des Luftzutrittes und damit der Fäulnis gegeben, was ja später auch in vielen Fällen
durch die Rheinregulierung eintrat und beinahe zum Ruin des Straßburger Münster-
turmes geführt hätte.
Der Zwang, alle Hölzer eines Pfahlrostes unter dem Grundwasserspiegel zu belassen,
mag oft die Notwendigkeit mit sich gebracht haben, Pfähle unter Wasser abzusägen,
weil sie sich nicht mehr weiterrammen ließen, oder weil ihr Kopf zerfasert war. In sol-
chem Zusammenhang wird klar, warum Villard de Honnecourt eine Säge zeigt mit dem
Vermerk: „Mit dieser Maschine schneidet man Pfähle im Wasser zu, damit man einen
Bretterboden darauf legen kann.“287
Die Fundierungen im Grundwasser beschränkten sich allerdings im Mittelalter nicht
allein auf Pfahlroste. Audi andere Methoden waren erstaunlich hoch entwickelt. Filarete
berichtet über die Gründung von Brückenpfeilern bei den Venezianern: „Sie rammen
Pfähle ein, je i Brazzo voneinander in dem Umkreise, in dem sie die Fundamente graben
wollen, dann verschlagen sie sie außen und innen mit Brettern. Hierauf entleeren sie
das Wasser aus den so entstandenen Behältern.“ Wir haben also ein regelrechtes Spund-
wandverfahren vor uns, welches sicher schon damals auf ein großes Alter zurückblicken
konnte. Filarete fährt dann fort: „Innerhalb desselben (Behälters) befestigen sie die
Pfähle des eigentlichen Gebäuderostes im Grunde. Ist dies geschehen, so füllen sie sie
mit zerschlagenen Steinen und legen dann eine Schicht Hausteine bis über die Oberfläche
des Wassers und auf diese mauern sie wie anderswo mit Ziegelsteinen.“288
Neben der sorgfältigen Ausführung des Pfahlrostes widmet Lacher einen Teil seiner
„Unterweisung“ allgemeinen Fundierungsfragen. Am Berg muß das Fundament der
Neigung des Platzes folgen, indem es abgetreppt wird, wobei jede Staffel so breit sein
soll wie die Hälfte der Mauerwerkstärke.
Weiterhin sagt der gleiche Verfasser: „Item wan du einen neuen bau anlegen wilt,
so schau du, das der bau in dem grundt zugleich vergrindet werden, auf dass sich
der schwerlast mit dem leichten zugleich setzt, den wo sich der last nicht zugleich setzt,
so bringts einem an mangel an den fenstern; den ich bin es selber ihnen worden (inne-
geworden).“ Wenn man sich die Struktur einer gotischen Kirche vorstellt, so versteht
man ohne weiteres, daß das durchlaufende Mauerband unterhalb der Fenster infolge
ungleicher Belastung zu Setzrissen neigte. Man scheint dem durch folgende Regel ent-
gegengewirkt zu haben: „Und der Khor sey eng oder weit, so sol der kapgesims (Fenster-
bank) also hoch liegen, alss weit die pfeiler von ein ander stehn, von schreggesimbss
(Schrägsims, Sockel) biss aufs Kapgesimbss gefiert.“ (fol. 43 v; Angaben über Grün-
dung s. fol. 48.)
Das Kaffgesims soll also so hoch über dem Sockel des Baues liegen, wie die Strebe-
pfeiler im Lichten voneinander stehn. Das dadurch gebildete Wandfeld hat daher die
Form eines Quadrates; es ist „gefiert“.
Den eigentlichen Sinn der Regel versteht man, wenn man überlegt, wie unterschiedlich
die Strebepfeilerabstände gotischer Kirchen oft sind, je nachdem ob ein Bau enge oder

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