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Borchardt, Ludwig
Die aegyptische Pflanzensäule: ein Kapitel zur Geschichte des Pflanzenornaments — Berlin, 1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.43137#0013
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Einleitung-

Die der Pflanzenwelt entnommenen ägyptischen Säulenformen sind seit dem
Bekanntwerden der reichen architektonischen .Schätze des Nilthaies der Gegenstand
wiederholter Untersuchungen und der verschiedensten Theorien gewesen. Aegyptologen
und Kunsthistoriker haben es mit mehr oder weniger Glück versucht, in die bunte
Mannigfaltigkeit der Kapitellformen System zu bringen, ohne jedoch bisher zu einem
völlig sicheren Resultate vorgedrungen zu sein. Der Grund dieser Unsicherheit mag
hauptsächlich darin zu suchen sein, dass jüngere Bearbeiter der Frage das, was die
älteren bereits richtig erkannt hatten, wieder umzustossen für gut fanden, ohne etwas
Besseres an dessen Stelle setzen zu können.
Namentlich die jüngsten Autoren auf diesem Gebiete *) haben es mit be-
wunderungswürdigem Geschick verstanden, das, was früher schon wenigstens in den
Hauptzügen feststand, von Grund aus zu verwirren. Während fast von jeder der
früheren Arbeiten1 2) bei genauerer Untersuchung wenigstens irgend ein Hauptgedanke
als berechtigt anerkannt werden muss, stellen uns die letzterschienenen Erörterungen
über ägyptische Säulenformen vor die Notwendigkeit, dieses Gebiet eingehend zu
revidiren. Bei dieser Revision soll es nun nicht unsere Aufgabe sein, die Theorie jedes
einzelnen der früheren Autoren besonders zuwiderlegen oder zu bestätigen; wir werden
vielmehr versuchen, unsere Ansichten über die verschiedenen Gattungen der ägyptischen
Pflanzensäulen, so weit es geht, ohne jede Polemik gegen andere Meinungen zu ent-
wickeln. Der mit dem Gegenstand vertraute Leser wird auch so herauserkennen, wo
alte Theorien angenommen, wo sie verworfen, wo neue vorgebracht sind.
Bei unseren Untersuchungen werden wir so Vorgehen, dass wir zuerst die
in Frage kommende Pflanze nach der Natur schildern — nicht etwa mit ge-
lehrten botanischen Ausdrücken, sondern ganz laienhaft, auf die Gefahr hin, auch
wissenschaftlich falsche Bezeichnungen einigen Pflanzentheilen beizulegen. Die Be-
schreibung wird dadurch den meisten Lesern verständlicher werden, da vermuthlich
deren botanische Kenntnisse, wie die des Verfassers, über das Erfassen der äusseren
Form der Pflanzen nicht hinausgehen dürften. Zweitens wird dann Umschau zu
halten sein, wie die Aegypter die beschriebene Pflanze in ihrer Kunst ver-

1) Goodyear, The grammar of the lotus; Riegl, Stilfragen. Seit Niederschrift des oben Stehenden
sind noch zwei neuere Arbeiten erschienen, die von unserem Gegenstand handeln: Petrie, Egyptian decorative
art, und Foucart, Histoire de l’ordre lotifqrme. Auch diese beiden Werke haben die vorliegende Abhandlung
nicht überflüssig gemacht.
2) Z. B. Jomard in der „Description de l’Egypte“; Lepsius, Ueber einige ägyptische Kunstformen etc.;
PriSSE, in Histoire de l’art egyptien; Wilkinson, The Egyptians under the Pharaons, S. 151; Semper, Der Stil
(zweite Auflage), S. 394; Ebers, im „Cicerone“ und tn „Baedecker’s Aegypten“ (erste Auflage); Perfot - Chipiez,
Histoire de l’art dans l’antiquite I. (Deutsche Ausgabe) S. 488 ff.; Maspero, Aegyptische Kunstgeschichte, S. 50 ff.,
und andere.

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