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Borchardt, Ludwig
Die aegyptische Pflanzensäule: ein Kapitel zur Geschichte des Pflanzenornaments — Berlin, 1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.43137#0014
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wertheten, wie sie sie in Bildern, Reliefs und plastischen Kunstwerken darstellten,
um dann endlich unser eigentliches Ziel erreichen zu können und festzustellen, wo
wir die fragliche Pflanze in den Säulenformen wiedererkennen. Dass wir dann
den auf eine bestimmte Pflanzenform zurückgeführten Säulentypus an Beispielen aus
verschiedenen Epochen erläutern müssen, ist ebenso selbstverständlich, wie dass dabei
hie und da sich etwas über die geschichtliche Entwickelung der betreffenden Säulen-
form wird ermitteln lassen.
Unsere Beispiele werden wir den noch erhaltenen Bauten und den altägyp-
tischen Abbildungen, die an Tempel- und Grabwänden in grosser Zahl vorhanden
sind, entnehmen können. Bei den nur abgebildeten Beispielen werden wir allerdings
etwas vorsichtig zu Werke gehen müssen, da die Phantasie der ägyptischen Maler
in vielen Fällen unmögliche Gebilde dargestellt hat, und ausserdem oft die Ver-
schrobenheit der perspektivischen Darstellung das Verständniss des Abgebildeten
erschwert. Mit ganz besonderer Vorsicht wird eine Gattung von Säulen zu be-
handeln sein, die sich häufig auf Darstellungen findet: die Säulen mit mehreren — bis
zu fünf — Kapitellen übereinander. Es sind diese Säulen — falls sie überhaupt je so
existirt haben — meist Holzsäulen, deren Form sich auf die ägyptische Art zurück-
führen lässt, Bouquets aus verschiedenen, ineinander gesteckten Blumen zu binden.
Für unsere Aufgabe, die den Säulenformen zu Grunde liegenden Pflanzentypen fest-
zustellen, interessirt an diesen „Bouquetsäulen“ nur die einzelne Pflanze, das Einzel-
kapitell, nicht die ganze Zusammensetzung; wir werden daher die Bouquets zerpflücken
und die einzelnen so gewonnenen Kapitelle dann bei verschiedenen Abschnitten unserer
Untersuchung gesondert besprechen müssen.
Auch von den in natura erhaltenen Säulen werden wir nicht alle gleich-
mässig als Beispiele benutzen. Da es sich vorläufig darum handelt, die älteren Säulen-
typen zu analysiren, so können die Formen der Spätzeit, d. h. in diesem Falle der
Epoche nach der Eroberung Aegyptens durch die Perser, also hauptsächlich die Säulen-
bildungen der Ptolemäer- und Kaiserzeit vernachlässigt werden, soweit sie neue
Pflanzen als Ornament verwenden. Wir werden diese daher nur in den Fällen —
und deren Anzahl ist nicht gering — citiren, wo sie sich an ältere Schöpfungen an-
schliessen und die alten Formen wieder aufnehmen und fortbilden.
Zum Schlüsse der Einleitung möchte ich noch rechtfertigen, weshalb ich
ebenso wie andere Autoren, die das hier behandelte Gebiet früher bearbeitet haben,
auf eine „schärfere .Sonderung der Formen des Höhlen- und Freibaus“, bezw. des
Holz- und Steinbaus keine Rücksicht genommen habe. Wie der Schluss lehren
wird, ist der den ägyptischen Säulenformen zu Grunde liegende Gedanke ein rein
ornamentaler, ohne jede construktive Grundlage. Es ist daher ausnahmsweise mögdich,
was bei der Behandlung architektonischer Details anderer Epochen ein schwerer
Fehler sein würde, bei der Auswahl der Beispiele vollständig von Material und Con-
struktion abzusehen und nur die äussere Form zu betrachten, zumal da es sich haupt-
sächlich nur um die Ermittelung der den Säulenformen zu Grunde liegenden Pflanzen-
vorbilder handelt.
 
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