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Borchardt, Ludwig
Die aegyptische Pflanzensäule: ein Kapitel zur Geschichte des Pflanzenornaments — Berlin, 1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.43137#0064
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von denen Petrie eine nach den in Teil el Amarna gefundenen Fragmenten bis auf
das Kapitell wohl sicher richtig reconstruirt wiedergiebt.L) Die gelblich grünen
Schilfblätter dieser Säulen waren aus Fayencestücken gebildet, von denen einige auf
der vorigen Seite dargestellt sind (Abb. 81); die Bänder, von denen das Schilf zu-
sammengehalten war, waren wohl in andersfarbiger Fayence gehalten oder theilweise
auch in Bronce ausgeführt, und griffen über den wohl an beiden Seiten, oben und
unten angebrachten Falz der verticalen Fayencestücke (s. in der Abb. links unten)
über. Leider reichen aber auch hier die Fragmente nicht aus, um die Pflanze,
welche gemeint ist, mit hinreichender Sicherheit zu bestimmen.
Die zweite Art, von der gar nur ein Beispiel und auch das nur in Abbildung
auf uns gekommen ist, scheint von einer Winde* 2) hergeleitet zu sein. Convolvulus-
oder Gentiana-(?)-Arten finden sich öfter ornamental verwendet, wie ein vorstehend
gegebenes Beispiel aus einem gemalten Kranze von der Brust eines Sargdeckels in
Mumienform aus dem Funde der Amonspriester von Der-el-bahri zeigt (Abb. 82).
Man sieht an diesem Beispiele deutlich, wie aus dem kleinen Kelche die glocken-
förmige Blüthe ohne Theilung in einzelne Blüthenblätter herauswächst; auf die
Färbung, die vom Gelb am Kelch in Roth und endlich in Grün oder Blau übergeht,
dürfte ebensowenig etwas zu geben sein, wie auf die Bemalung der einzig publicirten
Windensäule (Abb. 83), welche ihre Farbenfülle zuerst wohl der Phantasie des ägyp-
tischen Künstlers und in zweiter Linie der Schönfärberei der modernen Publication
zu danken haben dürfte.
Bei diesem Beispiel, das, wie die Zwischenstengel zeigen, als Bündelsäule
aufzufassen ist, erinnert nur die äussere Form des Kapitells an die oben gezeigte
Windenform, die Bemalung und streifenförmige Eintheilung der Blüthenglocke ist
völlig willkürlich. Sehr getreu aber sind die Knospen auf den Zwischenstengeln der
Natur abgelauscht; das Hervorbrechen der noch spitz zusammengedrehten Blüthen-
glocke aus den wenig geöffneten Kelchblättern ist den Winden so eigenthümlich,
dass der ägyptische Künstler mit seinem gewohnten Scharfblick für das Charakte-
ristische der einzelnen Pflanzenarten es anbringen musste.

*) Petrie, Teil el Amarna, Tat. VII und S. 9. Betreffs der Decoration mit Gänsen s. oben S. 34.
2) Die bei Petrie, Teil el Amarna, Taf. S, abgebildeten Fragmente, auf denen auch Ranken einer
Windenait abgebildet zu sein scheinen, gehören nicht in den Rahmen unserer Abhandlung. Diese Winden um-
ranken nur als freies Flächenornament die Säule, diese selbst aber ist vielleicht überhaupt keine Pflanzensäule,
wenigstens lässt sich aus den erhaltenen Stücken dies nicht beweisen.
 
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