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XXVIII

Die Überlieferung der Chronik des Gallus Öhem.

Es ist begreiflich, daß ein derartiger Text jeden irgendwie nachdenkenden Schreiber zu
Verbesserungen und Konjekturen reizen mußte. Trotzdem sind die Hss P, s, L, F, M wörtliche
Kopien von F, einschließlich aller Fehler, Lücken und Wiederholungen; auch der Schreiber von
p hat nur an zwei Stellen gebessert und beide Male ungeschickt [52, 16]; dagegen sind die Texte
der Hss- _D, S, K überlegte und stellenweise sehr weitgehende Bearbeitungen.

Der Schreiber der Hs- D, Wilhelm Werner von Zimmern, zeigt sich als ein Mann von
scharfsinniger Kritik; er hat die Anordnung im großen nicht angetastet, aber zahlreiche Einzelheiten
korrigiert. Bezeichnend für die Natur seiner Änderungen ist der Umstand, daß an den betreffenden
Stellen die Hs- F fast immer eine offenbare Lücke, einen handgreiflichen Fehler oder eine unklare
Fassung zeigt. Natürlich entfernt sich der Text von I) dadurch in Sinn und Inhalt häufig von dem
der Öhem vorliegenden Quellen [13, 8; 15, 21; 62, 1; 97, 24; besonders 130, 5, wo ein Abschreibe-
fehler von F in I) eigentümlich nachwirkt]; daß er sich dafür demselben in einigen Fällen auf-
fallend genähert hat, wird nicht Wunder nehmen [9, 26; 00, 21]; an einer Stelle [52, 26] hat der
Schreiber von D ebenso wie derjenige von p den Text einer von Öhem benutzten Urkunde heran-
gezogen, welche ihm unschwer zugänglich war. In die Geschichte der Abte Meinhard und Ruprecht
hat er ganze Abschnitte aus Lambert von Hersfeld eingeschoben.

Georg Hau aus Uberlingen benutzte bei Herstellung seiner Kopie des Öhem [S] einen
Reichenauer Abtskatalog, aus dem er in breitspuriger Fassung jedem Abt die Regierungsjahre bei-
setzte, außerdem aber noch einige Notizen in den Text einschob [z. B. 128, 20]; traf er auf un-
klare Stellen, so überging er sie, seltener verbesserte er; vor allem führte er die Chronik, wenn auch
sehr dürftig, bis auf die Zeit Abt Marx' von Knöringen.

Spiegier, der Schreiber der Hs- K, ließ ebenfalls unverständliche Sätze von F aus; sein
Hauptaugenmerk aber richtete er auf die Anordnung des Ganzen. Durch Umstellungen suchte er
der in dem Vorwort von Öhem gegebenen Disposition zu entsprechen; dafür hat er aber das
Wappenbuch aufgelöst und nur einen Teil der Öhem'schen Wappen zur Ausschmückung des Textes
verwertet, für diesen Zweck freilich auch noch andere, von Öhem nicht überlieferte Wappen [aus
Grünenberg? Zusammenstellungen wie «die vier ortt der christenhait» sprechen dafür] heran-
gezogen. Seine Fortsetzung der Chronik giebt zuletzt nur die Namen der Bischöfe von Konstanz.

Das Verhältnis unserer Handschriften untereinander und zum Original läßt sich also folgender-
maßen zusammenfassen. Die Handschrift F, welche aus dem Kloster selbst stammt, ist die Reinschrift
eines in mehrfacher Beziehung unvollendeten Konzeptes. Sie diente allen anderen Handschriften
als Vorlage. Da sie aber lückenhaft und gar nicht frei von Fehlern ist, suchten eine Anzahl von
Abschreibern ihren Text im Gegensatz zu F und unter Heranziehung anderweitiger Hülfsmittel zu
bessern; ihre Korrekturen haben in einigen Fällen das Richtige getroffen, sind aber begreiflicher-
weise im ganzen höchst willkürlich.

Für die Herstellung des Textes habe ich mich dementsprechend allein an F gehalten, die
Varianten der übrigen Hss- aber beigefügt. Zahlreiche Verbesserungen des Textes ergeben sich
durch den Vergleich mit den von Öhem benutzten Originalquellen.
 
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