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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0259
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Drittes Kapitel. Abarten des Ciboriums 243

oder vor einer der Längswände einer einschiffigen Kirche errichtet werden
sollte.

Die beiden ältesten Beispiele eines Halbciboriums sind der Überbau des von
Kardinal Alencon (t 1397) gestifteten Altares der hll. Apostel Philippus und Jako-
bus in S: Maria in Trastevere zu Rom und der gewöhnlich als Cappella Dragomani
bezeichnete Altarüberbau in S. Domenico zu Arezzo (Ende des 14. Jahrhunderts), ein
Werk des Giovanni di Francesco, des Meisters des Hochaltarhinlerbaues der Kathe-
drale daselbst. Das erste, welches ursprünglich zugleich das Grabmonument des
Kardinals war, wurde 1583 von Kardinal Markus Sitticus von Altemps an seine
jetzige Stelle versetz!, als derselbe an der östlichen Längswand des Querhauses der
Kirche die Sakramentskapelle anfügte (Tafel 169). Den beiden Säulen, welche die
Frontstützen des Ciboriums bilden, entsprechen an der Wand Pilaster. An den Basen
haben die Säulen Eckblätter. Ihr Schaft ist in seinem unteren Drittel, das mit
einem Ring abschließt, vertikal kanneliert; in den oberen zwei Dritteln umziehen ihn
spiralförmig Kannelüren im Wechsel mit ornamentierten Bändern. Auf ihrem mit
schonen Akanthusbläftern besetzten Kapitell erhebt sich über einem Kämpferaufsatz
ein sowohl an seinen zwei freiliegenden Seiten wie oben mit Statuetten geschmückter
Pfosten. Der zwischen die beiden Pfosten eingesprengte Spilzbogen ist der Leibung
entlang mit einem schlichten, zackigen Hängekamm besetzt; der über ihm sich auf-
bauende, mit flachen, liegenden Firstblumen versierte Giebel trug ursprünglich
wohl auf der Spitze eine Statuette; im Bogenfeld zeigt er das von zwei Engeln
gehaltene Wappen des Stifters. Die Eindeckung des Ciboriums besteht in einer
mäßig tiefen, spitzbogigen Tonne. In dem Bogenfelde, welches das Gewölbe an der
Wand bildet, ist in der Mitte Maria, umgeben von einem Kranz von Engeln, dar-
gestellt. Links stehen zwei Heilige, von denen einer den knienden Stifter der Gottes-
mutter empfiehlt, rechts zwei weitere Heilige. Zwischen Bogenfeld und Altar befand
sich ursprünglich das seit 1583 neben dem Ciborium angebrachte Monument des
Kardinals, unten eine figurenreiche Reliefdarslellung des Todes Marias, darüber
in Pontifikalkleidung die liegende Gestalt des toten Stifters.

Drei schöne Halbciborien von gleicher Anlage, welche jedoch Überbauten von
Grahmälern bilden, befinden sich in S. Cbiara zu Neapel. Es sind die Grabmonumente
des Herzogs Karl von Kalabrien (fl328), errichtet 1338, der Maria von Frankreich,
Titularkaiserin von Konstantänopel (t 1360), und zweier Enkelinnen Roberts des
Weisen (Ende des 14. Jahrhunderts). Ein anderes begegnet uns im Dom daselbst
über dem Grabmal des Kardinals Carbone (f 1405). Vielleicht, daß die zum Teil
etwas älteren neapolitanischen Halbciborien das Vorbild waren für dasjenige des
Kardinals von Alencon. Unter dem Ciborium, welches das Monument des Kardinals
Carbone in der Bmnciakapelle des Domes überdacht, steht heute ebenfalls ein Altar,
doch stammt derselbe aus nachmittelalterlicher Zeit. Ursprünglich war es wohl
nicht beabsichtigt, mit dem Grabmal einen Altar zu verbinden, wie die drei weib-
lichen Statuen bekunden, die den Sarkophag tragen. Denn ein solcher mußte — und
so ist es heute wirklich der Fall — die mittlere Figur ganz, die seitlichen wenigstens
teilweise in sehr unschöner Weise verdecken. Überhaupt war vor Grabmälern meist
kein Altar angebracht.

Das Halbciborium in S. Domenico zu Arezzo (Tafel 176) ruht an der Wand auf
drei ausgiebig mit Blattwerk verzierten Konsolen. Als vordere Stützen hat es ent-
sprechend den beiden seitlichen Konsolen schlanke, achtseilige Pfeiler, die auf hoch-
autgezogenem Sockel sitzen und an vier Seiten mit einem Pilaster besetzt sind. Über
der mittleren Konsole tritt aus der Wand ein Trägstem heraus, dessen Kopfende
den Kapitellen der Säulen nachgebildet ist. Auf den beiden Säulenkapitellen und
dem ihnen gleichen Kopfende jenes Tragsteines erhebt sich ein mit einer Spitzbogen-
blende belebter Pfosten. Unten sind zwischen diese drei Pfosten zwei Spilzbogen ein-
gesprengt, über denen ein hoher, an der Spitze abgestumpfter Giebel aufsteigt; oben
tragen sie über dem Sims, mit dem sie an den Fußenden der Giebel abschließen, unter
 
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