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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0299
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Zweites Kapitel. Die Verbindung von Retabel und Altar 283

Wollte man ihn genauer als einen Schmuck über der Rückseite des Altares
kennzeichnen, so nannte man ihn retrotabulum (reiretaule, retaule7,
retrotabularium3, r e t a b u 1 u m9, französisch retable, spanisch retablo). Auch
hieß er in dem gleichen Sinne retroaltare10, postaltare", französisch
postautel12, englisch reredos, ursprünglich der Name des oberhalb der
Rückseite des Altares angebrachten Behanges (— retrodossaIe)1!i. Auf den Riid-
tafelcharakter des Retabels weisen die von elx&v sich herleitenden, in Italien
gebräuchlichen Namen icona" und ancona" hin.

ZWEITES KAPITEL

DIE VERBINDUNG VON RETABEL UND ALTAR
I. DIE VERBINDUNG VON RETABEL UND ALTAR ZEITLICH
BETRACHTET
Die Verbindung von Retabel und Altar kann zeitlich zweifacher
Art sein. Sie ist entweder ständig, dauernd oder nur vorüber-
gehend. Im ersten Fall ist das Retabel fest mit dem Altar verbunden, im
zweiten dagegen nur lose, so daß es nach Belieben aufgestellt und wieder
entfernt werden kann.

Heute, und so war es auch schon im späteren Mittelalter, ist das
Retabel stets unbeweglich auf dem Altar errichtet. Die mächtigen Architekturen,
welche Renaissance und Barock auf oder hinter dem Altar auftürmten, die großen
Schreine uod Bildertafeln, welche das ausgehende Mittelalter als Schmuck der Altäre '
schuf, und die zwar niedrigen, aber schweren Steinretabeln der frühen Gotik konnten
nicht anders als fest auf oder hinter dem Altar angebracht werden, da es nicht anging,
sie bald auf-, bald wieder wegzusetzen. Selbst die aus kostbaren Metallen angefertigten
Retaheln, wie sie auch noch das späte Mittelalter entstehen sah, ließ man im 14. und
15. Jahrhundert in der Regel ständig auf dem Altar. So finden wir es in S. Marco
zu Venedig, in der Jakobskapellc der Kathedrale zu Pistoja, in den Kathedralen zu
Gerona und Valencia, desgleichen zu Xanten und Lüneburg, wo man kostbare, aus
ottonischer Zeit stammende Goldfrontalien zu Retabem gemacht hatte, u. a. Um
solche zu schützen, sowie auch um sie für gewöhnlich den Blicken zu entziehen,
versah man sie mit Flügeltüren, die man an den höheren Festen öffnete, damit an
diesen das Retabel in seiner ganzen Pracht erstrahle. Tabulae altaris aperiuntur,
lautet eine Anweisung, die an allen höheren Festen im Ordinarium von Laon wieder-
kehrt1. Zu Lüneburg ist die goldene Tafel heute verschwunden, erhalten aber haben
sich noch die herrlichen vergoldeten Flügeltüren mit ihren zwei Reihen von ge-
schnitzten Statuetten unter prächtigen gotischen Baldachinen. Im Dom zu Valencia
hat sich noch der ganze Schrein, dem das Silberretabel einst eingefügt war, erhalten*.

' Du Gange VII, 169 158. " Vgl. z. B. das Inventar lies Priorats von

8 Vgl. oben S. 280. Bridlington (Yorks.) aus dem Jahre 1541: The

_' Martene I. 4, c. 24: Ritus eccl. Tolet; III, reredose at tbe high alter representing Criste

167. So und nicht rotabulum ist wohl liier zu lesen. and the assumption of our Lady and the

"Vgl. oben S. 280. 12 apostels... ys escefleutly well wrought

11 Necrol. Corbeiense bei D. C. VI, 431: VII and as well gylted (Archacol. XXIX, 272).

"Jus Augusü frater Petrus de Sachiaco parvo u Vgl. oben S. 279: Icona eburnea.

'«it Bad posiere argentcum deauralum, t) y , b s 282 dj Verordnung des hl.

quod est super majus altare.

' Dehaisnes, Doc. 180: Compte de J. de

Karl Borromäus und D. C. I, 243.

üoisin et Jacques de Maubeuge, receveurs du , ' u- Chevalier. "nlo.iivs de l'eglise cath.

comte de Hainaut (1307): 1 drap d'autel et de Laon (Paris 1897) 43 und sonst oft.

\ postautel de velvel; 1. c. 235 Inventar des * Er wurde in jüngerer Zeit zum Ersatz für

Grälen Robert von Artois (1331): 1 postautel das ehemalige Silberretabel mit vergoldetem

de cendal des armes d'Arragon. Schnitzwerk gelullt.
 
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