Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
als Vasari die Entwicklung der Kunst mit regem Interesse verfolgte und in seinem
kunstbiographischen Werke zur Darstellung brachte. Durch ihn vor allem hat sich von
dem wichtigen Fresko und auch von der Verdeckung des'selben Kunde erhalten. In
der ersten Auflage seiner Lebensbeschreibungen (1550) lobt er das Fresko, in der
zweiten Aufiage (1568) fiigt er die Bemerkung hinzu, es sei aber nicht mehr zu
sehen, weil die Familie Montaguti (Montauto) ein Bild davor gesetzt hätte. So war
es möglich, in jüngster Zeit eine Nachforschung nach dem verschwundenen Werke an-
zuregen. Die Anregung fand willkommenste Aufnahme, und das Fresko kam wohl-
behalten hinter dem grossen Bilde zum Vorschein, durch das es über drei Jahrhunderte
lang den Blicken entzogen worden war.

Dargestelit ist die von drei Heiligen verehrte Dreieinigkeit in eigenthümlicher Weise.
Es ist das Zeugniss einer urkräftig vorwärts dringenden Kunst. Ais Ausgangspunkt ist
die Stufe der Kunst anzusehen, die Masaccio’s ähniiches Fresko in S. Maria Novella ein-
nimmt. Täber dort herrscht majestätische Ruhe, hier Bewegung und Erregung. Ueber
die von Masaccio erreichte Stufe hinaus stürmt der Künstler zugleich nach drei Richtungen
hin vorwärts: ihn ergreifen die Probleme der Mienen- und Geberdensprache, der
perspectivischen Darsteliung und der Farbenwirkung. Die Geberden, mit denen die
drei Heiligen die himmlische Erscheinung anstaunen, das durchgearbeitete erregte Ge-
sicht des mittelsten von ihnen, des Hieronymus, sowie die Wucht, mit der Gottvater
über Alien schwebt und mit weitausgespannten Armen das Kreuz hält, sind packend.
Der Gekreuzigte ist mit einer seltenen Virtuosität der Perspective dargestellt, er ist
kurz als Gegenstück zu Mantegna’s berühmter Pietä der Brera in Mailand zu be-
zeichnen. Den Kopf vorwärtsgerichtet, ist er so stark verkürzt, dass er und Gottvater
zusammengenommen längst nicht so hoch erscheinen, wie die Spannung der Arme reicht.
Man sieht ihm von oben auf den Heiligenschein, auf die Haare und die Augenlider,
sieht vor sich in Form von Halbkreisen Dornenkrone und Hüfttuch. Auch die man-
nichfach bewegte Gestalt des Hieronymus unter ihm ist voll treffender Berechnung.
Keines der Gesichter zeigt die gleiche Ansicht, keines auch nur die gewöhnliche Vorder-
ansicht, stets sind Wendung und Neigung der Köpfe verschieden gewählt. So waren
in der Haltung der Personen immer neue Aufgaben zu lösen. Ebenso ist auch die
Farbenbehandlung durchdacht und wirkungsvoll. Das Gewand Gottvaters ist halb
leuchtendroth, halb carminfarben, die den Gekreuzigten umschwebenden Cherubim sind
feuerroth, die Wolkenstreifen mattroth. Das vorherrschende Roth, doppelt kühn auf
dem Blau des Himmels, zieht die Aufmerksamkeit auf die obere Bildhälfte. Alle so

Brockhaus, Forschungen.

73

10
 
Annotationen