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Die Entdeckungen
Heinrich Schliemanns
in Troja, Mjkene und
Tiryns

Die spektakulären Entdeckungen Heinrich
Schliemanns eröffneten im letzten Drittel des
19. Jahrhunderts den Blick auf die Frühzeit
Griechenlands. Bis dahin stützte sich die
Kenntnis der früh-griechischen Kulturen fast
ausnahmslos auf die literarische Uberliefe-
rung. Insbesondere die homerischen Epen
mit der Schilderung des trojanischen Krieges
und dessen Folgen wie auch die griechischen
Tragödien, in denen die im Mythos tradierte
Vorzeit interpretiert wurde, gaben über die
mykcnische Kultur und Kunst wichtige Auf-
schlüsse. Hier wurden nicht nur die großen
Festungen und Paläste vorgestellt, sondern
auch interessante Einblicke in die Kulturge-
schichte jener Zeit geboten. Beachtung fan-
den bei den Archäologen die detaillierten Be-
schreibungen kunsthandwerklicher Arbeiten
wie z. B. der Waffen des Achill, vor allem des
mit reichen bildkünstlerischen Schmuck ver-
sehenen Schilds oder anderer Treibarbeiten
wie Goldbecher u. ä.

Mit der topographischen Erschließung Grie-
chenlands wuchs das Interesse an den Orten
der homerischen Sage. Die weithin sichtbaren
kyklopischen Mauern (durch ihren massiven
Charakter galten sie als Werke der einäugigen
Riesen, der Kyklopen) von Mykene und Ti-
ryns, das sog. Schatzhaus des Atreus in My-
kene und in Orchomenos das sog. Schatzhaus
des Minyas wurden damals in die topographi-
schen Beschreibungen aufgenommen. Das
My kener Löwentor-die Toranlage wurde im
14./13. Jh. v. u. Z. errichtet - wurde von nun
an allgemein als Beispiel frühgriechischer
Skulptur angeführt. Benannt ist das Tor nach
der Reliefdarstellung, die das Entlastungs-
dreieck über dem mächtigen Türschutz

schmückt. Ein Löwenpaar richtet sich heral-
disch an einer durch Säule und Gebälk ange-
deuteten Kultfassade auf. Die Köpfe der
Tiere, die sich mit den Vordertatzen auf den
Unterbau der Säule stützen, waren, wie die
Stiftlöcher zeigen, aus einem anderen Mate-
rial dem Betrachter zugewandt aufgesetzt.
Das Motiv leitet sich aus der kretischen Kunst
her, worauf u.a. die typische sich nach unten
verjüngende Säule verweist. Es hat apotropä-
ischen (Unheil abwehrenden) Charakter, d.h.
das Tor wurde damit unter den Schutz einer
Gottheit gestellt.

Obgleich das Interesse an der griechischen
Frühzeit zunahm, blieben die Kenntnisse
spärlich. Aufgrund der wenigen bekannten
Denkmäler wurde diese Epoche mehr oder
weniger als mythische Vorzeit aus der wissen-
schaftlichen Betrachtung ausgeklammert
oder nur kurz, quasi als Vorspann der griechi-
schen Kunstentwicklung abgehandelt. Schlie-
manns Entdeckungen brachten hier einen
grundlegenden Wandel.

Begeistert von den Epen Homers, hatte
Schliemann - wie er in der seinem Werk Ilios
vorangestellten Autobiographie erzählt -
schon in jungen Jahren den Entschluß gefaßt,
Troja auszugraben, das im Nordwesten
Kleinasiens gelegen haben sollte. Nachdem er
als Kaufmann ein großes Vermögen erwor-
ben hatte, widmete er sich, finanziell unab-
hängig, ganz seinen Studien. So unternahm er
1868 seine erste Forschungsreise durch Grie-
chenland auf den Spuren Flomers. Getragen
von seinem unerschütterlichen Glauben an
die Authentizität der homerischen Epen,
machte er zwei Jahre später seinen Kindheits-
traum wahr und begann mit den Ausgrabun-
gen in Troja. Entgegen der von den meisten
namhaften Gelehrten seiner Zeit vertretenen

Lötventor von Mjkene.

Foto ans den 80er Jahren des vorigen

Jahrhunderts.

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