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Brugsch, Heinrich
Reise nach der grossen Oase El Khargeh in der libyschen Wüste: Beschreibung ihrer Denkmäler — Leipzig, 1878

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https://doi.org/10.11588/diglit.3991#0077
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Besonders die oben erwähnte Cella, das Allerheiligste des Tempels, zieht durch die Darstellungen
und Texte die grosseste Aufmerksamkeit auf sich. Eine Inschrift am Eingangsthore (Pfosten
linker Hand) bezeichnet diese Cella in folgender Weise: pipen nofri serey en 'mon rsha-yß
-en suten nutir „dies ist die herrliche Wohnung und der Thronsitz des Gottes Amon-ra, der
Festplatz des Königs der Götter". Mit diesen Worten ist die Heiligkeit des dem thebauischen
widderköpfigen Amon-ra geweihten Ortes unwiderleglich angedeutet. Astronomische Darstellungen
zieren die Decke der Cella. Die Figur der langgestreckten Himmelsgöttin, die Bilder und
Namen der Decangötter und Gestirne des ägyptischen Himmels und endlich die symbolischen
Gestalten der Tage des Mondmonates, welche sich zur rechten und zur linken der Mondscheibe

mit dem Mondauge in der Mitte: f ^g ) befinden, weisen auf die Absicht des Bildhauers hin,
die Decke nach ptolemäisch-römischen Vorbildern mit astronomischen Vorstellungen zu schmücken.

Die Darstellungen und Inschriften im Innern der Cella berühren selbstredend Amon-ra
und seine Mitgottheiten Mut und Ohons. Die Herkunft der genannten drei Insassen des Tempels,
gleichsam ihre Wanderung von Oberägypten aus nach der Oase von Dakhel, wird durch den
Zusatz yont Api „der von Ap>i", unter welcher Bezeichnung die thebauische Tempelgruppe auf
der rechten Seite des Niles verstanden wird, oder, wie bei Mut, durch die geographische Neben-
bestimmung neb-t dser „Herrin von ÄSer", der Name des Mut-Tempels zu Theben (im Süden
der Ruinen von Karnak), hinlänglich erwiesen. Es handelte sich demnach bei der Dreigottheit
um die thebanische Abstammung. Zum Schluss will ich die Bemerkung nicht unterdrücken,

dass an einer Stelle der Hauptwand der Cella Gott Amon genannt wird: Q11^^ j w^

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ämon-rs neb ub-ta „Amon-ra Herr der Stadt Äb-ta", oder vielleicht auch zu lesen: ta-äb „die
Stadt des Mondlandes." Offenbar stellt dieser Name eine Variante der oben erwähnten Bezeich-
nung se-äb „die Stätte des Mondes" dar.

Der Kultus des thebanischen Amon darf nach den Angaben der Inschriften der Tempel
von Hib und von Dakhel für die südliche Oase als festgestellt angesehen werden. Die Zeug-
nisse darüber sind zu beredt um von der Hand gewiesen zu werden. Auch für die nördlich
gelegenen Oasen der libyschen Wüste dürfen wir in gleicher Weise einen allgemeinen Kultus
des Amon voraussetzen, der in der am fernsten gelegenen Oase von Siwah, dem Ammonium,
nach den übereinstimmenden Ueberlieferungen des gesammten Alterthums seinen Gipfelpunkt
fand. Wenn die in dem Tempel von Edfu niedergelegten steinernen Verzeichnisse der Oasen-
gebiete den letzteren die Trias Osiris, Isis und Horus, oder vielmehr Horus au der Spitze stehend,
Horus, Osiris und Isis bei der Gottesverehrung zuzuschreiben scheinen, so ist zu berücksichtigen,
dass in Edfu (Apollinopolis Magna) der Localgott Horus auch dadurch geehrt werden sollte,
dass er als die Hauptgottheit allen Nomen — die Oasen mit einbegriffen — gleichsam
als ein Ausläufer des Horus von Edfu an die Spitze gestellt wurde. Mit anderen Worten die
einzelnen Localgottheiten der Nomen gingen in den Horus von Apollinopolis auf und die Tria-
den flössen zusammen mit der Trias des Osiriskreises. So wurde, mit Bezug auf die Oasen,
Amon dem Osiris, Mut der Isis und Chons dem Horus gegenüber gestellt, eine Vergleichüug,
die auch sonst inschriftlich erwiesen werden kann. Die Texte auf den erhaltenen Oasentempeln
stellen aber die Thatsache fest, das Amon, Mut und Chonsu thebanischen Ursprunges sind. Ein
so gewichtiges historisches Zeugniss muss uns auffordern die Inschriften von Edfu nur mit
grosser Vorsicht zu benutzen. Wenn sie auch selber gelegentlich das Zugeständniss zu machen
scheinen, dass in der Osiris-Trias die Gottheiten des thebanischen Kreises verborgen sind, so
ist wohl zu berücksichtigen, dass umgekehrt die Thatsache die allein richtige ist.
 
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