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Brugsch, Heinrich
Reise nach der grossen Oase El Khargeh in der libyschen Wüste: Beschreibung ihrer Denkmäler — Leipzig, 1878

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https://doi.org/10.11588/diglit.3991#0076
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zur Sinnverstärkung der einfachen Wurzel, bedeutet demnach soviel als „stark oder oft schnei-
den, durchaus zerschneiden, zerspalten" und kann sich als Eigenname einer Gegend offenbar
nur auf die Einschnitte des Bodens beziehen. Auf die Oase angewendet, würde sie das von
Bohrlöchern durchzogene quellenreiche Oasenland bezeichnen.

Die Oasen von Dakhel und Khargeh sind von den Mitgliedern der Bohlfs'schen Expedition
in den Kreis ihrer lehrreichen Untersuchungen gezogen worden, wobei die archäologische Seite
in keiner Weise vergessen wurde. Prof. Zittel („Briefe aus der libyschen Wüste" S. 83) bemerkt
in dieser Beziehung: „Die zahlreichen Ruinen altägyptischer Dörfer in den Oasen von Dakhel
„und Khargeh, die stattlichen aus mächtigen Sandsteinquadern erbauten Tempel mit schön
„erhaltenen Hieroglyphen inmitten öder Wüstenstriche, die verschütteten Brunnen, deren Lage
„vielleicht noch hier und dort durch eine verkümmerte Baumgruppe bezeichnet ist, die zahl-
losen vermoderten Palmstumpfe zwischen versandeten Feldern, deren Eintheilung sich noch
„erkennen lässt, sprechen deutlicher als alle schriftlichen Urkunden für die einstige Blüthe der
„Oasen unter den altägyptischen Königen." Derselbe Verfasser führt ausserdem an (S. 137 fl.),
dass unter den römischen Kaisern in Dakhel ein Tempel im ägyptischen Style erbaut war, öst-
lich vom Qasr Dakhel in der Wüste, umgeben von zerfallenen Lehmbauten einer ehemaligen
Stadt. Nach seiner Beschreibung ist das Heiligthum (Der-el- hagger genannt) aus massiven
Sandsteinquadern aufgeführt, 52 Fuss lang und 25 Fuss breit. „Ein Portikus mit einer doppelten
Seihe von je 4 Säulen, deren Capitäle an die korinthische Form erinnern, zierte die Facade.
Noch jetzt stehen Bruchstücke von 3 dieser Säulen aufrecht, die übrigen sind vollständig zer-
fallen. Im Innern befinden sich zwei Vorhallen, und im Hintergrund die von zwei Seiten-
gemächern umgebene Cella. Das Portal sowohl als auch die Wände neben den inneren Tlioren
und namentlich das Allerheiligste sind mit Hieroglyphen bedeckt. Sie wurden nach Ausräu-
mung der in dem Tempelraume herabgestürzten 14 Fuss langen Deckplatten und nach Weg-
schaufelung des mannshohen Flugsandes photographirt. Aus diesen Bildern konnten Brugsch
und Lepsius später sowohl den alten Namen der benachbarten Stadt lles-ab (Moudstadt) als auch
das ungefähre Alter des Tempels ermitteln. Die Skulpturen stellen nämlich die Kaiser Nero,
Vespasian und Titus dar, welche dem thebanischen Amon und der Mut Opfer darbringen. Auch
dieser Tempel richtet sein Hauptthor nach Osten; er stand in einem ansehnlichen Hofe, dessen
dicke Umfriedigungsmauer aus Lehmziegeln mit einem aus Quadern erbauten Thore noch theil-
weise erhalten ist. Einzelne der benachbarten Lehmhäuser besitzen zwei Stockwerke, Rund-
und Spitzbogen, die Wände im Innern sind zuweilen in einer Weise bemalt, wie dies heute in
Aegypten nicht mehr gebräuchlich ist."

Aus den von der geschickten Hand des Photographen Herrn Remele ausgeführten Photo-
graphien der Oasendenkmäler, welche mir später durch die Güte unseres deutschen Afrikaners
Hofrath Rohlfs zugekommen sind, habe ich in der That manche die Wissenschaft höchlichst
interessirende Angaben für die Kenntniss der Geographie, Geschichte und Mythologie der Oasen
im Alterthume durch ein genaueres Studium der photographisch dargestellten Texte gewinnen
können. Der Tempel von Dakhel ging dabei nicht leer aus. Die verschiedenen Texte lehren,

dass Tempel und Ort in den Römerzeiten den Namen n , n \ sc-äb oder set-ab

d. i. „die Stätte des Mondes, die Mondstadt" fährten. Die grosse Trias von Theben: „Amon-ra,
der König der Götter", seine Gemahlin Mut, nicht selten mit dem Beiwort tier-t „die Grosse"
oder „die Alte" beehrt, und das Kind beider zons-pi-yj-o^ „der junge (Mondgott) Chons", wel-
cher wie Harpocrates den Finger an den Mund legt, bilden die göttlichen Insassen des Tempels,
um welche sich andere Götter des ägyptischen Himmels in untergeordneter Stellung gruppiren.
 
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