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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 1): Die Bildhauer — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4968#0118
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114

Die Bildhauer.

Bild von Pellene liefert also mindestens den Beweis, dass Phidias schon in
seinen jüngeren Jahren mit dem Peloponnes im Verkehr stand.

Ferner versucht Müller1) für seine Zeitbestimmung die Erzählungen von
der Liebe des Pantarkes geltend zu machen. Dass er das Bild dieses Knaben
am Throne des Zeus anbrachte, ist bereits erwähnt worden. Weiter wird aber
berichtet, er habe den Namen des Pantarkes (JTai'rapxijg xaXdg) auf einem
Finger des Zeus eingeschrieben; und eben daraus folgert Müller: eine solche
Liebesleidenschaft, wie sie sich in dieser Inschrift offenbare, sei selbst nach
griechischen Begriffen bei einem Greise unerhört und höchstens bei einem Manne
von noch kräftigem Alter erklärlich. Aber schon Thiersch hat darauf hinge-
wiesen, dass Müller diese Erzählungen von einem zu einseitigen Standpunkte
aufgefasst habe. Zuerst müssen wir beachten, dass die Angaben über die In!

161 schrift sehr schwankend sind. Die Einen2) setzten sie auf den Finger des
Zeus, Andere3) auf den Finger der Aphrodite Urania zu Elis, noch Andere4)
auf den der Parthenos zu Athen. Unsere Gewährsmänner sind aus später Zeit,
und schreiben meist ohne eigene Anschauung nach Hörensagen. Sophisten oder
christliche Kirchenväter, welche letztere namentlich nach Thiersch's Bemerkung
in den Nachrichten von den Ausschweifungen auch der berühmtesten „Heiden"
unerschöpflich sind. Pausanias, der doch zweimal5) der Liebe zu Pantarkes
Erwähnung thut, und also hinlängliche Aufforderung hatte, ein Wort über die
Inschrift hinzuzufügen, schweigt von ihr gänzlich. Aber auch zugegeben, dass
den Phidias noch etwas anderes, als die Begeisterung für die künstlerische
Schönheit eines Knaben bewog, dessen Bild am Throne des Zeus anzubringen,
so lässt sich doch immer daraus keine Altersbestimmung für den Künstler her-
leiten. Denn es fehlt auch sonst an Erzählungen nicht, welche griechische
Greise selbst in sehr hohem Alter einer heftigen Liebe fähig zeigen. — Ge-
denken wir endlich der gewaltigen Schöpfungen aus den letzten Jahren eines
Aeschylus, Sophokles, Pindar, so werden wir auch darin Müller nicht beistimmen
können, dass er behauptet, ein Werk, wie der Zeus des Phidias, könne nur
von einem Künstler in mannhaftem und noch kräftigem Alter geschaffen werden.

Die Gründe also, welche Müller beibringt, entbehren der beweisenden Kraft
für die Annahme, dass Phidias erst Ol. 73 geboren sei. Noch dazu ist uns
aber eine Angabe erhalten, welche geradezu dagegen streitet: die nemlich, dass
Phidias auf dem Schilde der Parthenos sich selbst unter dem Bilde eines kahl-
köpfigen Alten (ngeoßvTov (f aXay.gov) dargestellt habe G); und wir müssen hier
die Ansicht Thiersch's theilen, dass darin der einzige sichere Haltpunkt für eine
Altersbestimmung des Phidias liege. Nach Müller aber wäre Phidias, als er
dieses Bild machte, erst 50 Jahre alt gewesen, was mit Plutarch's Worten doch
kaum in Einklang zu bringen ist. Freilich ist es aber auch nicht nothwendig,
mit Thiersch an einen Siebziger zu denken, sofern nicht gewichtige Gründe

162 dazu zwingen. Als solche jedoch vermögen wir diejenigen, auf welche sich
dieser Gelehrte stützt, nicht anzuerkennen. Sie sind von den Werken des

!) § 18. 2) dem. Alex. Coli. p. 47 Potter. Suhl, und Photius s. v. 'PriitvovOlu NiutOK-
Amol». VI, 18. :)) Phot, Lex. p. 482, 19. Libanios nach dem Schob zu (jlem. Alex. p. 115
ed. Klotz. 4) Gregor. Naziaoz. Carm. iamb. 18, tum. II. p. 184 ed. Yen. 5) V, 11, 3; VI. 10. 6.
«) Plut. Per. 31.
 
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