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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 1): Die Bildhauer — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4968#0119

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III. Die griechische Kunst in ihrer höchsten geistigen Entwickelung,

115

Phidias hergenommen, welche er zum Andenken und aus der Beute des mara-
thonischen Sieges gemacht haben soll. Auf das Unzuverlässige der Nachrichten
über dieselben hat schon Müller i) hingewiesen. Nur hätte er nicht behaupten
sollen, dass in dieser Schlacht so gut wie keine Beute gemacht sei. während
doch Plutarch-') ausd rückhch berichtet, es sei dem Aristides die Bewachung
derselben während und kurz nach der Schlacht übertragen worden. Herodot's
Schweigen beweist dagegen nichts, da er auch von manchen andern Dingen,
z- B. den Opfern und andern religiösen Feierlichkeiten, kein Wort meldet. Aber
freilich muss es unseren Verdacht erregen, wenn von Pausanias auf diese mara-
thonische Beute sechs, und noch dazu sehr bedeutende Weihgeschenke be-
zogen werden:

1) die Athene Promachos zu Athen: I, 28, 2.

2) eine grosse Statuengruppe zu Delphi: X, 10. 1.

3) goldene Schilde am Gebälk des delphischen Tempels: X. 19. 4.

4) das Schatzhaus der Athener zu Delphi: X. 11. 5.

5) der Tempel der Eukleia zu Athen: I, 14, 5.

6) Tempel und Statue der Athene Areia zu Plataeae: IX, 4. 1.

Um den Werth dieser Angaben zu bestimmen. müssen wir hier einen
Sprachgebrauch in Betracht ziehen. welcher die strenge historische Wahrheit
mehrfach beeinträchtigt hat, und uns auffordern muss. wo etwas auf die mara-
thonische Schlacht bezogen wird, stets zu fragen, ob wir an die Schlacht selbst
oder an die persischen Kriege im Allgemeinen zu denken haben. Dieser Sprach-
gebrauch ist alt: schon Aeschylus setzt, wie Pausanias3) bemerkt, in seiner Grab-
schvift4) seinen kriegerischen Ruhm nicht in die Theilnahme an den Schlachten
bei Artemision und Salamis, sondern an dem Kampfe bei Marathon. Eben so
finden wir bei Aristophanes, der gewiss dem allgemeineren Sprachgebrauch
folgte, fast nie die salaminische, oft dagegen und fast consequent die mara-
tbonische Schlacht, marathonische Krieger, marathonische Zeit erwähnt, wo er
nur im Allgemeinen von den Perserkriegen sprechen will. Dass aber auch zu 1
Pausanias Zeit dieser selbige Sprachgebrauch noch seine Geltung hatte, sehen
wh recht deutlich, wenn er sagt5): der Tempel des Theseus sei gebaut ..später
als die Meder Marathon inne hatten", obwohl er selbst durch die Erwähnung
des Kimon und seines Zuges gegen Skyros die Zeit nach den Perserkriegen
fest genug bestimmt. Dazu kommt noch die ausdrückliche Angabe des Pau-
sanias: es scheine ihm, dass die Athener auf den marathonischen Sieg be-
sonders stolz gewesen seien; und dies mag seinen guten Grund darin haben,
dass sie diese Schlacht mit Ausnahme der Plataeer allein kämpften. Da Pau-
sanias aus dem Mundo des Volkes, der Exegeten u. a. seine Nachrichten schöpfte,
so ist es schon an sich wahrscheinlich, dass der obige Sprachgebrauch seine
Zuverlässigkeit vermindert; und dies wird noch mehr durch die einzelnen Bei-
spiele bestätigt. Wenn er z. B. berichtet, der Tempel der Athene Areia zu
Plataeae sei von dem Beuteantheil gebaut, welchen die Athener den Plataeern
nach der Schlacht bei Marathon zuerkannt hätten, so wird sein Zeugniss durch

*) § f- 2) Arist. 5. 3j i; 14, 5. 4) Anall. I. p. 523. Anthol. 1, 1». 81 ed. Jacobs.
V l, 17, 6.
 
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