Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 1): Die Bildhauer — Stuttgart, 1889

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4968#0224

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
220

Die Bildhauer.

mit grosser Schärfe und Klarheit geltend macht, hatte sie selbst ein festes
Gesetz gewonnen und sich mit Sicherheit frei und unabhängig zu bewegen ge-
lernt. Aehnliches begab sich auf dem Gebiete der Malerei: auch sie suchte
sich von den beschränkenden Forderungen der Architektur zu befreien und
selbständiger auszubilden, früher freilich mehr in Ansehung der Composition
und Zeichnung, als der Farbe und Schattengebung. Die Vollendung der Sculptur,
welche jetzt mit der Natur in ihren schönsten Bildungen wetteiferte, musste
nun aber auffordern, mit den relativ bedeutenderen Hülfsmitteln, welche der
Malerei für die Nachahmung der Natur zu Gebote stehen. Gleiches zu wagen.
Allein Farbe, Licht und Schatten und deren Wirken auf die Gegenstände sind
wandelbar und vielfachen Wechseln unterworfen. Ks konnte daher nicht aus-
bleiben, dass man anfing, statt mit der Wirklichkeit mit dem Scheine derselben
zu wetteifern und geradezu Täuschung zu versuchen. Wir werden in der Ge-
schichte der Maler sehen, dass dieser Umschwung namentlich durch den Ein-
314 fluss des Zeuxis um die 90ste Olympiade wirklich stattfand. Damals löste sich
auch die Malerei gänzlich von der Architektur los; und der Ruhm der Künstler
knüpft sich nicht mehr ausschliesslich an Wandmalereien, sondern vorzugs-
weise an Staffeleibilder. So geschah es, dass in dem Nachbilden der sinn-
lichen äusseren Natur die Malerei der Sculptur voranzueilen begann. Die Rück-
wirkung blieb nicht aus. Statt, wie bisher, das innere Wesen, aus dem Wesen
des Organismus entwickelte vollkommene Gestalten zur Darstellung zu bringen,
begann auch die Skulptur ihr Augenmerk auf die äussere Krscheinung zu richten,
nach dem Scheine der Wirklichkeit zu streben. Und damit uns das Wechsel-
verhältniss zwischen den beiden Künsten recht augenscheinlich werde, so ist
der erste Künstler, an welchem uns die neue Richtung mit Entschiedenheit ent-
gegen tritt, ein nicht minder ausgezeichneter Maler als Bildhauer.

Vierter Abschnitt.
Die griechische Kunst in ihrem Streben nach äusserer Wahrheit.

Euphvanor.

Euphranor war vom Isthmos gebürtig und blühete von der Zeit bald nach
Ol. 100 Iiis wenigstens zu den Jünglingsjahren Alexanders von Macedonien-
Da er als Maler in engem Zusammenhange mit einer berühmten Schule steht,
so lässt sich erst dort seine künstlerische Eigentümlichkeit mehr im Einzelnen
nachweisen und eine feste Ansicht über dieselbe begründen. Hier müssen
einige einfache Andeutungen über den Charakter dieses bedeutenden Künstlern
genügen. Bedeutend zeigt er sich zunächst durch seine Vielseitigkeit: er war
Maler und Bildhauer, arbeitete in Metall und in Marmor, bildete Kolosse und
cisellirte Becher, schrieb Bücher über Symmetrie und Farben, „gelehrig und
 
Annotationen