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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 1): Die Bildhauer — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4968#0227

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IV. Die griechische Kunst in ihrem Streben nach äusserer Wahrheit

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wurde. Erst Lysipp erkannte, auf welche Weise, sofern ein Theil des poly-
kletischen Systems aufgegeben wurde, eine neue, in sich abgeschlossene Einheit
hergestellt werden könne. Darüber wird jedoch ausführlicher erst bei Gelegen-
heit dieses Künstlers gehandelt werden. Hier sei nur soviel bemerkt, dass jenes
Aufgeben des früheren Systemes überhaupt nicht auf einer tieferen Erforschung
und Erkenntniss der Natur, sondern darauf beruhte, dass man an die Stelle 318
der wirklichen Maasse die scheinbaren, nach dem Augenmaasse angenommenen
setzte, welche, wie sie zum Theil auf Täuschung beruhen, auch bei dem Be-
schauer Täuschung hervorzubringen im Stande sind, auf jeden Fall aber die
innere Wahrheit dem Streben nach Illusion aufopfern. Wie weit dies bei
Kuphranor der Fall war, können wir freilich nicht im Einzelnen nachweisen.
Ja, unsere Behauptung, dass es so war, könnte sogar als zu wenig begründet
erscheinen, wenn nicht theils die Stellung Euphranors als Maler, theils die
Geschichte gleichzeitiger und nachfolgender Künstler noch nachträglich den
Beweis dafür liefern würde.

Skopas.

Skopas war von der Insel Paros gebürtig1). Zur Bestimmung der Zeit,
Jn welcher er lebte, dient erstens die Angabe, dass er nach dem Brande des
älteren Tempels der Athene Alea zu Tegea OL 96, 2 den Neubau leitete 2);
°b derselbe freilich unmittelbar nach diesem Ereignis* begonnen wurde, ist
nicht ausgemacht. Wir müssen daher grösseren Werth auf eine zweite Nach-
richt legen: dass nemlich Skopas zu den am Grabmal des Mausolos beschäftig-
ten Künstlern gehörte. Denn dieses Werk wurde sicher alsbald nach dem
Tode des Königs, Ol. 107, 2 nach Plinius, Ol. 10G, 4 nach Diodor3) begonnen,
da es bei dem zwei Jahre später erfolgten Tode seiner Gemahlin Artemisia
schon so weit vorgerückt war, dass die Künstler beschlossen, um ihres eigenen
Bulimes willen die angefangene Arbeit nicht liegen zu lassen J).

Eine weitere Bestäligung für diese Zeit bat man aus der Erzählung des
Plinius über den Tempel der ephesischen Artemis herleiten wollen, der bekanntlich
in der Nacht der Geburt Alexanders Ol. 10G, 1 abbrannte, aber bald nachher
wiederhergestellt wurde. Dort heisst es nemlichs): columnae centum viginti
Septem . . . LX pedum altitudine, ex iis XXXVI caelatae, una a Scopa; operi
praefuit Chersiphron architectus. Allein ist das Behauen einer Säule eine des
Skopas würdige Arbeit, und würde sie eine besondere Erwähnung verdienen?
Wollten wir aber nach einem von seinem Urheber Sillig selbst kaum noch 319
gebilligten Vorschlage lesen: Una Scopa operi etc., so werden wir nur noch
mehr auf das Unpassende der Erwähnung des Skopas hingewiesen. Denn die
ganze Erzählung des Plinius handelt bestimmt nur von dem alten Baue zur
Zeit des Kroesos. Demnach scheint noch immer die Emendation Winckelmann's °):
XXXVI caelatae uno c scapo. den besten, ja überhaupt erst den richtigen Sinn
zu gewähren, indem nun die 36 monolithen Säulen den übrigen passend ent-
gegengesetzt werden.

i) Straho XIII, p. 604 C; Paus. VIII, 45, 5. 2) Paus. 1. 1. ») XVI, 36; vgl. Clinton
fasti Ol. 107, 2. 4) Plin. 36, 30 u. 31. 5) 36, 95. 6) Mon. in. II. p. 271.
 
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