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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 1): Die Bildhauer — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4968#0239

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IV. Die griechische Kunst in ihrem Streuen nach äusserer Wahrheit. 235

Gestalt mit Nothwendigkfcit erhalten hat. So musste es auch bei der Maenade
des Skopas sein, wenn die den iranzen Körper durchglühende bacchantische
Raserei vom Beschauer recht eindringlich empfunden werden sollte. — Nach
einer anderen Richtung gewähren uns für die Beurtheilung des künstlerischen
Wissens bei Skopas seine Meergötter Belehrung. Wir können unter dieser Gat-
tung von Bildungen drei verschiedene Klassen mit Leichtigkeit unterscheiden.
Die erste hat volle menschliche Gestalt bewahrt und die Natur des Meeres zeigt
sich einzig in dem geistigen Ausdrucke. Die zweite besteht aus förmlichen
Doppelgestalten, welche aus Theilen von Menschen und Thieren zusammenge-
setzt sind. Zwischen ihnen steht eine dritte Art, bei welcher der menschliche
Körper in allen wesentlichen Theilen beibehalten ist, und nur an der Oberfläche,
der Haut, sich hie und da ein Uebergang in Formen des Thier- oder Pflanzen-
reiches offenbart. Die Gesetze dieser Bildungen zu erörtern, ist hier nicht der
Ort. Aber schon die Beobachtung, dass sie etwas Gesetzmässiges, nichts rein
Willkürliches sind, kann uns darüber betehren, in wie tiefer und eindringender
Weise Skopas sich der Erforschung und Beobachtung der Natur hingegeben
haben musste. — Die Vortrefflichkeit seiner Marmortechnik wird nur einmal bei
Gelegenheit des wehenden Haares der Maenade von Gallistratus erwähnt, bei
welchem die Angabe der Farbe an der todten Ziege auch eine Hindeutuhg auf
die Bemalung des Steines zu enthalten scheint. Welchen Einfluss endlich die
Bevorzugung des Marmors vor der Bronze auf die ganze Behandlung der Formen,
namentlich aber der Oberfläche der Körper gewinnen musste, werden wir in
den Untersuchungen über Praxiteles ausführlicher darzulegen Veranlassung haben.

Praxiteles.

Das Vaterland des Praxiteles war Athen. Obwohl kein alter Schriftsteller
dies ausdrücklich bestätigt, ergiebt es sich dennoch sicher daraus, dass seine
Söhne Kephisodot und Timarchos wiederholt Athener genannt werden; so wie, 336
dass sein Name als der eines Atheners in der folgenden thespischen Inschrift
an einer Stelle vorkommt, wo es trotz des Wegfalls von htalrpg» keinem Zweifel
unterworfen ist, dass der Künstler gemeint sei1):
APXIAE0PAZYMAXO
OPAIYMAXONXAPMIAAOTOIE

nPAEITEAHZAOHNAlOZ
Knidos als Vaterland anzugeben, wurde Cedren l) wahrscheinlich nur durch die
berühmte Aphrodite des Künstlers veranlasst; und eben so findet die Hindeu-
tung auf Paros bei Properz:t) ihre Erklärung in dem Ruhme, welchen sich
Praxiteles durch Werke in parischem Marmor erworben hatte. Ein Andrier in
einem Epigramme4) hat mit dem Künstler nichts als den Namen gemein.

Schon früher haben wir die Vermuthung ausgesprochen, dass Praxiteles
der Sohn des älteren Kephisodot gewesen sei. Wenn nun Pausanias ») angiebt,
er habe im dritten Geschlechte nach Alkamenes gelebt, so Hesse sich diese An-

») C. I. Gr. n. 1604; vgl. Stephani im Rh. Mus. N. F. IV, S. 18. 2) Ann. p. 322.
3) III, 7, 16. 4) Anall. II, p. 40. n. 12. 5) VIII, 9, 1.
 
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