Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 1): Die Bildhauer — Stuttgart, 1889

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.4968#0173
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
III. Die griechische Kunst in ihrer höchsten geistigen Entwicklung. 169

gaben, Letzterer sein Werk unter der Bedingung, dass es nicht in Athen bleibe,
verkauft und Nemesis genannt habe, und dieses sei das Bild, welches im at-
tischen Flecken Rhamnus aufgestellt und von Varro allen andern Bildwerken
vorgezogen worden sei. Auch diese Erzählung hat Zoega gänzlich verwerfen
wollen; und allerdings muss es Verdacht erregen, dass in ihr, wie in der Sage
von dem Marmorblocke der Meder, das Walten der Nemesis in ihrem eigenen
Büde wirksam erscheint, indem das ungerechte Urtheil der Athener durch den
Nichtbesitz der Statue bestraft wird. Doch lässt sich den Sagen über die Eifer-
süchtelei der beiden Mitschüler an sich eine innere Wahrscheinlichkeit nicht
absprechen. Und auch die Zweifel, welche man gegen die Umwandlung eines
Bildes der Aphrodite in das der Nemesis erhoben hat, liefern noch keinen hin-
länglichen Beweis gegen die Wahrheit der ganzen Erzählung. Die Göttin hatte
nach Pausanias eine Krone (areepavoe) mit Hirschen und kleinen Bildern der
Nike verziert; in der einen Hand trug sie einen Apfelzweig, in der andern eine
Schale, auf deren innerer Seite Aethiopen dargestellt waren J). Zur Erläuterung
dieser Attribute bemerkt Welcker (zu Zoega S. 418), dass noch Kanachos eine
Aphrodite mit dem Polos auf dem Haupte, einem Apfel in der einen, einem
Mohnkopf in der andern Hand, gebildet hatte. Solche Attribute konnten aber
leicht durch andere ersetzt werden, ohne dass dadurch einem Bilde Eintrag
geschah.

Ihrem Wesen nach ist endlich die Nemesis von Rhamnus der Aphrodite
Urania nahe verwandt, so dass das Bild der einen wohl auch für das der an-
dern gelten, wenigstens mit geringen Veränderungen in ein solches umgestaltet
Verden konnte. — Ueber das Bild selbst ist noch zu bemerken, dass es zehn
EHen hoch war*). Pausanias endlich zählt noch die Figuren auf, welche die
Basis des Bildes schmückten. Mit Bezug auf die Sage, dass Nemesis die Mutter,
Leda nur die Amme der Helena war, hatte der Künstler die letztere dargestellt,
Avie sie von Leda der Nemesis zugeführt wird; ferner den Tyndareus, seine
Siihne und einen Reiter, Hippeus, neben seinem Rosse; sodann Agamemnon,
^lenelaos und Pyrrhos, den Sohn des Achill, als den ersten Gemahl der Her- 242
uüone, der Tochter der Helena. Orestes war wegen des Muttermordes über-
gangen, obwohl ihm nachher die llermione für immer als Gattin verblieb und
aüch einen Sohn gebar. Die Reihe schloss mit Epochos und einem andern
•Hinglinge; von beiden wusste Pausanias nichts, als dass sie Brüder der Oenoe
waren, von welcher der Demos seinen Namen führte. Die Anordnung der Com-
Position wage ich im Einzelnen nicht zu bestimmen.

Ueber die Verdienste des Agorakritos um die Kunst mangeln alle weiteren
Zeugnisse.

Kolotes.

Plinius 3) nennt Kolotes Schüler und Gehülfen des Phidias bei der Aus-
führung des olympischen Zeus. Ausserdem legt er ihm die Statue der Athen e
aus Gold und Elfenbein auf der Burg von Elis bei, an welcher Panaenos
flie innere Seite des Schildes gemalt hatte. Dem Pausanias4) zeigte man
dieses Bild als ein Werk des Phidias, was wir in derselben Weise, wie bei

J) s. darüber Zoega S. 65. *) s. Hesychius. Zosimus 1. 1. 3) 35, 54. *) VI, 26, 3.
 
Annotationen