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Sarkophag eines Finanzbeamten.
d. Inst. 1878, p. 66 — 67 gegeben worden. Doch hat in ihnen der Zu-
sammenhang des Ganzen keine Berücksichtigung gefunden, während der
Hauptwerth des Monuments gerade auf der durchaus römischen Auffassung
und Entwickelung des Ideengehaltes beruht.
In der Mitte finden wir vor einem Vorhänge, welcher sich über den
gesammten Hintergrund der Scene ausbreitet, eine aus römischen Hochzeits-
darstellungen bekannte Gruppe. Ein Mann und eine Frau, beide mit
Portraitköpfen, reichen einander über einem candelaberartigen Weihrauch-
altar die Hände, während Iuno durch Auflegen der Hände auf ihre Schultern
ihren Ehebund schliesst. Ein weiterer Begleiter folgt nur hinter dem
Manne. Der sogenannte latus clavus, der seine sichere Erklärung immer
noch nicht gefunden, bezeichnet beide als vornehm durch Geburt oder
Stellung; und ein Bündel Schriftrollen zu Füssen des Ehemannes deutet
ausserdem wohl noch auf amtliche Würden.
Zu beiden Seiten dieser Mittelgruppe sind je zwei weibliche Gestalten
vertheilt. Von denen auf der Seite des Mannes ist die an der rechten
Ecke des Sarkophag® durch eine Kopfbedeckung ausgezeichnet, in welcher
Henzen und Helbig richtig die Haut eines Elephantenkopfes mit Rüssel
und Stosszahn erkannten: ein Attribut, durch welches sei es Afrika im
Allgemeinen, sei es Aegypten oder noch specieller Alexandrien charakterisirt
zu werden pflegt. Für den vorliegenden Fall wird sich die Benennung
Aegypten am meisten empfehlen; denn die Figur hält ein Aehrenbüschel
in der gesenkten Rechten über einen am Boden stehenden ebenfalls mit
Aehren bedeckten Getreidescheffel. (Ein Füllhorn in der Linken, von dem
der Text spricht, ist in der Abbildung nicht zu erkennen.) Es ist also
das durch seinen Getreidereichthum bekannte Land, welches besonders in
der Kaiserzeit die Weltstadt Rom mit seinen Vorräthen versorgte. Echt
römisch haben die Römer für den Begriff der zum Heile der Stadt aller-
dings höchst wichtigen Getreideversorgung eine eigene Göttin geschaffen,
die Annona, welche sie, je nachdem die eine oder die andere Seite dieses
ihres begrifflichen Wesens schärfer betont werden sollte, mit verschiedenen
Attributen ausstatteten; vgl. meine Bemerkungen in den Ann. d. Inst. 1849,
p. 135 sqq.*) Diese Göttin also, wie schon Henzen und Helbig bemerkten,
haben wir in der zweiten Gestalt zwischen der Mittelgruppe und Aegypten
zu erkennen. Sie trägt hier Stirnkrone und Schleier über dem Hinterhaupte,
in der Linken das Füllhorn und stützt den rechten Arm auf das Steuer-
ruder. Ihrer Bildung ist demnach der Typus der Fortuna zu Grunde ge-
legt, und wir werden daher auch das Steuerruder in dem allgemeinen
Sinne der Lenkung des glückhaften Schiffes zu fassen haben, wofür sich
später noch eine weitere Bestätigung ergeben wird. Als Annona aber wird
sie differenzirt oder specificirt durch reiche Früchte, die sie gleich einer
Höre im Schurz tragt, und durch den Getreidescheffel mit Aehren, der
neben ihr wie neben der Figur von Aegypten steht. Sie ist also die
Göttin, welche den reichen Getreidesegen, den Aegypten hervorbringt, zu
bewahren und weiter zu vertheilen hat: nach welcher Richtung hin, das
soll vielleicht durch den nach der Mitte gerichteten Blick angedeutet werden.
Der Gestalt von Aegypten entspricht am entgegengesetzten linken
*) [Oben S. 50—53.]
Sarkophag eines Finanzbeamten.
d. Inst. 1878, p. 66 — 67 gegeben worden. Doch hat in ihnen der Zu-
sammenhang des Ganzen keine Berücksichtigung gefunden, während der
Hauptwerth des Monuments gerade auf der durchaus römischen Auffassung
und Entwickelung des Ideengehaltes beruht.
In der Mitte finden wir vor einem Vorhänge, welcher sich über den
gesammten Hintergrund der Scene ausbreitet, eine aus römischen Hochzeits-
darstellungen bekannte Gruppe. Ein Mann und eine Frau, beide mit
Portraitköpfen, reichen einander über einem candelaberartigen Weihrauch-
altar die Hände, während Iuno durch Auflegen der Hände auf ihre Schultern
ihren Ehebund schliesst. Ein weiterer Begleiter folgt nur hinter dem
Manne. Der sogenannte latus clavus, der seine sichere Erklärung immer
noch nicht gefunden, bezeichnet beide als vornehm durch Geburt oder
Stellung; und ein Bündel Schriftrollen zu Füssen des Ehemannes deutet
ausserdem wohl noch auf amtliche Würden.
Zu beiden Seiten dieser Mittelgruppe sind je zwei weibliche Gestalten
vertheilt. Von denen auf der Seite des Mannes ist die an der rechten
Ecke des Sarkophag® durch eine Kopfbedeckung ausgezeichnet, in welcher
Henzen und Helbig richtig die Haut eines Elephantenkopfes mit Rüssel
und Stosszahn erkannten: ein Attribut, durch welches sei es Afrika im
Allgemeinen, sei es Aegypten oder noch specieller Alexandrien charakterisirt
zu werden pflegt. Für den vorliegenden Fall wird sich die Benennung
Aegypten am meisten empfehlen; denn die Figur hält ein Aehrenbüschel
in der gesenkten Rechten über einen am Boden stehenden ebenfalls mit
Aehren bedeckten Getreidescheffel. (Ein Füllhorn in der Linken, von dem
der Text spricht, ist in der Abbildung nicht zu erkennen.) Es ist also
das durch seinen Getreidereichthum bekannte Land, welches besonders in
der Kaiserzeit die Weltstadt Rom mit seinen Vorräthen versorgte. Echt
römisch haben die Römer für den Begriff der zum Heile der Stadt aller-
dings höchst wichtigen Getreideversorgung eine eigene Göttin geschaffen,
die Annona, welche sie, je nachdem die eine oder die andere Seite dieses
ihres begrifflichen Wesens schärfer betont werden sollte, mit verschiedenen
Attributen ausstatteten; vgl. meine Bemerkungen in den Ann. d. Inst. 1849,
p. 135 sqq.*) Diese Göttin also, wie schon Henzen und Helbig bemerkten,
haben wir in der zweiten Gestalt zwischen der Mittelgruppe und Aegypten
zu erkennen. Sie trägt hier Stirnkrone und Schleier über dem Hinterhaupte,
in der Linken das Füllhorn und stützt den rechten Arm auf das Steuer-
ruder. Ihrer Bildung ist demnach der Typus der Fortuna zu Grunde ge-
legt, und wir werden daher auch das Steuerruder in dem allgemeinen
Sinne der Lenkung des glückhaften Schiffes zu fassen haben, wofür sich
später noch eine weitere Bestätigung ergeben wird. Als Annona aber wird
sie differenzirt oder specificirt durch reiche Früchte, die sie gleich einer
Höre im Schurz tragt, und durch den Getreidescheffel mit Aehren, der
neben ihr wie neben der Figur von Aegypten steht. Sie ist also die
Göttin, welche den reichen Getreidesegen, den Aegypten hervorbringt, zu
bewahren und weiter zu vertheilen hat: nach welcher Richtung hin, das
soll vielleicht durch den nach der Mitte gerichteten Blick angedeutet werden.
Der Gestalt von Aegypten entspricht am entgegengesetzten linken
*) [Oben S. 50—53.]