Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Büttner, Nils [Editor]; Koch, Anne-Katrin [Editor]; Zieger, Angela [Editor]; Schneidler, Friedrich Hermann Ernst [Editor]; Ausstellung Buch - Kunst - Schrift: F. H. Ernst Schneidler <2013, Offenbach am Main> [Editor]; Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart [Editor]; Klingspor-Museum Offenbach [Editor]; Bertram, Gitta [Oth.]
Buch Kunst Schrift: F. H. Ernst Schneidler ; [diese Publikation erscheint begleitend zur Ausstellung "Buch - Kunst - Schrift: F. H. Ernst Schneidler", Klingspor-Museum Offenbach, 10. März bis 5. Mai 2013] — Stuttgart, 2013

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.38908#0107
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
In Stuttgart-Heslach hatten wir eine Tante, bei der wir Unter-
kommen konnten. Wir hatten keine Ahnung, wie wir dorthin
kommen sollten, aber wir haben es irgendwie geschafft. Der Zu-
zug nach Stuttgart war illegal. Wir hatten zwar die Genehmi-
gung aus Thüringen zur Ausreise, aber bleiben durfte hier nur,
wer eine Stelle oder einen Ausbildungsplatz hatte. Wir hörten
dann, dass die Kunstakademie Schüler aufnehmen würde. Ich
hatte eine Mappe mit meinen kleinen Entwürfen von Lesezei-
chen, Osterkarten und ähnliches, aber ich war erst 15 Jahre alt
und durfte eigentlich noch gar nicht studieren.
Bei Semesterbeginn wurde ich 16. Meine Mutter, die fest daran
glaubte, dass ich an der Akademie Unterkommen würde, verein-
barte einen Termin bei Professor Schneidler. Gemeinsam mit mei-
ner Mutter wurde ich also dort vorstellig. Schneidler wirkte sehr
verschlossen. Er nahm meine Mappe, blätterte sie durch. Kein
Wort von ihm. Auf einmal sagte er: »Kommen Sie einfach!« Da-
mit war ich aufgenommen und wir durften in Stuttgart bleiben.


i Abb. 191 Skihütte in Ofterschwang 1948:
Von links nach rechts: Lieselotte Heller,
Trudl Hoffmann, Waltraud Reischle, Marga
Grün, Eric Carle (mit Kartoffelrucksack),
Foto von Christa Braun

Wie sah der Unterricht bei Schneidler aus?
Durch die Angriffe auf die alte Kunstgewerbeschule Ende des
Krieges, stand zwar noch der Bau, aber Fenster waren zersplit-
tert, Innenwände eingestürzt und alles lag voller Schutt. Des-
halb hieß es zunächst, bevor wir zu arbeiten anfangen durften,
Schutt abräumen. Einen der Höfe hatten wir leer zu räumen, die
Fenster notdürftig mit Pappe zu schließen und dann durften
wir anfangen. Alles drängte sich in den Raum 100. Wir mussten
zuerst Farbübungen machen. Auf ziemlich primitivem Material
musste jede Farbe vom Hellen zum Dunklen geführt werden,
in feinsten Abstufungen. Aus den gestrichenen, gerissenen oder
geschnittenen Papieren haben wir dann die sogenannten »Raum-
aufteilungen« gelegt. Parallel dazu Schriftübungen. Jeder konnte
versuchen, was er wollte, experimentieren, nichts war Pflicht.

Schneidler kam ab 1946 nur alle 14 Tage für drei Tage aus Gun-
delfingen an die Akademie, er hat es schon ein bisschen auslaufen
lassen. Aber wenn er am Montag kam, hatten wir alle unsere
Arbeiten, an denen wir tagelang gearbeitet hatten, schön unter
Glasplatten auf die Tische verteilt. Schneidler ging durch und
sagte z. B. abfällig: »Doof!« Dann musste man nach neuen Wegen
suchen. Oder er meinte lobend: »Nicht dumm!« - dann konnte
man sich schon einen Lorbeerkranz aufsetzen! Das hieß, man
konnte in der Richtung Weiterarbeiten. Die meisten positiven
Erfolge hatte ich mit Linolschnitten, mit denen ich mich beson-

Angela Zieger

114
 
Annotationen