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Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0517
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(aus dem Jahre 1529), während unter den schwei-
zerischen Zeichnungen, die den Beschluß bilden,
ein großes eindringlich in praller Plastik heraus-
gearbeitetes Blatt von Urs Graf auffällt, das den
Liebeshandel zwischen Landsknecht und Buhl-
weib mit robustem Gefühl und lagermäßiger Un
bekümmertheit erzählt. Neben den Blättern mit
klingendem Namen manch eigenartige und wert-
volle Arbeit unbekannten Ursprungs, die zum
kunsthistorischen Fischzug anreizt. Im folgenden
seien zu einer Reihe von Blättern kritische oder
ergänzende Bemerkungen gemacht, ohne daß die
aufgeworfenen Hagen jeweils zu Ende verfolgt
werden könnten. Gleich die drei ersten Blätter er
öffnen weite Perspektiven, denn es ist möglich, zu
den Zeichnungen stilverwandte Bildtafeln des glei-
chen Kunstkreises nachzuweisen.
1. „Oberdeutscher Meister um 1470; wahrscheinlich Kreis
des Meisters E. S."
Der Hinweis auf den oberrheinischen Kunstkreis
scheint mir in die rechte Himmelsrichtung zu zei-
gen, nur möchte ich die Heimat des interessan-
ten, charaktervoll-herben Meisters, dessen Hand
auch auf einer Reihe von Bildern nachgewiesen
werden kann, eher im deutsch-burgundischen
Grenzgebiet oder in Burgund selbst suchen. Die
persönliche, etwas rustikale Verarbeitung nieder-
ländischer Vorbilder, die Verschärfung der Typen
und die Verhärtung der Formen sind gleicher-
maßen kennzeichnend für die Zeichnung, wie für
die Bilder, von denen bis jetzt vier, wahrscheinlich
zu einem Altarwerk gehörige Tafeln zusammenge-
stellt werden können: zwei Tafeln (Geburt Mariä,
Darstellung im Tempel) befinden sich unter der Be-
zeichnung,, Oberrheinischer Künstler uml440—50"
in der Sammlung Johnson in Philadelphia (Kat.
Nr. 714,715) ;eine stark von JaquesDaret abhängige
„Geburt Christi" — die assistierende Jungfrau geht
in wesentlichen Zügen auf eine Figur der Daret-
schen Tafel in der Sammlung P.Morgan zurück —

wurde am 14. Mai 1912 bei Müller als „Mahre pri-
mitif allemand" (Verst.-Kat.Nr.51; früher Amster-
dam, Reichsmuseum Kat. Nr. 341a) versteigert und
eine vierte Tafel, eine „Verkündigung Mariä" war
vor einigen Jahren bei Julius Böhler (München).
Der Meister von Flemalle, noch mehr aber Jaques
Daret, dessen Typik für unseren Maler vorbildlich
gewesen ist, sind als die eigentlichen Lehrer des
Meisters anzusprechen. Daß er möglicherweise im
Burgundischen tätig war, wird auch durch eine
merkwürdige Kreuzigung im Museum zu Dijon,
die, obwohl anscheinend spätere Kopie oder durch
Übermalungen beeinträchtigt, stilistisch eng mit
den Werken des Meisters verbunden ist, wahr-
scheinlich gemacht. Die Zeichnung und die vier Bil-
der aus dem Marienleben dürften um die Mitte
oder im 6. Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts ent-
standen sein.
2. „Bayerisch-fränkischer Meister um 1480".
Zu dem Blatt läßt sich eine ausgeführte BildtafeP)
nachweisen, die in der Stiftsgalerie von St. Florian
mit einer vom gleichen Altar stammenden Kreuzi-
gung unter dem Sammelnamen „Michael Wolge-
mut" bewahrt wird (Abb. 343). Das frisch und
körnig gezeichnete Blatt (Abb. 342) weicht in Ein-
zelheiten von der Tafel ab, dennoch erscheint es
fraglich, ob die Zeichnung als unmittelbare Vor-
studie zu dem Bild angesehen werden darf. Ge-
wisse Einzelzüge, insbesondere die Art, wie Land
schafts- und Hintergrundszenen etwas zaghaft
und unfrei angedeutet sind, machen es wahr-
scheinlich, daß die Zeichnung auf die Tafel zu-
rückgeht. Dabei steht die Zeichnung am Wert der
Malerei keineswegs nach. Es dürfte sich um ein
Studienblatt eines begabten Gesellen handeln. Ob
der fränkische Meister der Tafeln in Nürnberg zu
suchen ist, erscheint nicht völlig gesichert. Neben
den beiden St. Flor ianer Passionsszenen sind sieben
i) Eine schwächere, wohi sicher einige Jahre später entstandene Wie-
üerhoiung der Biidtafei befindet sich in Basei. (Freundticher Hinweis
von E. Schiiiing.)

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